Grau statt blau – Die Krux mit dem Nebel

Mythos Hoch
An sich hat der Herbst ja seine schönen Seiten – nicht umsonst gibt es so Begriffe wie „Altweibersommer“ oder „Goldener Oktober“. Blöd nur, dass wir das in den Niederungen oft gar nicht mitbekommen; es dominiert einfach nur Dauergrau. Der Grund für dieses Depriwetter? Paradoxerweise der gleiche wie für das Schönwetter: Hochdruckgebiete!

Theorie und Praxis
Dabei haben diese Dinger ihren guten Ruf ja nicht von irgendwoher – in Hochs sinkt die Luft großräumig ab (der Druck am Boden wird damit höher, daher auch der Name “Hochdruckgebiet”), durch dieses Absinken erwärmt sich die Luft (etwa 1 Grad alle 100 Meter) und trocknet ab, was wiederum zur Wolkenauflösung führt – das Wetter ist “schön” . So zumindest die Theorie. Dummerweise aber ist die diesem hier wurscht: dem Hochnebel. Nicht nur wurscht, er profitiert sogar davon! Und das, obwohl Hochnebel eigentlich eine Wolke ist und als Stratus (so der meteorologische Begriff) zu den 10 Hauptwolkenarten zählt. Wenn aber Hochnebel eine Wolke ist, warum zum Henker entsteht diese dann just in einem Hoch? Ein Widerspruch!

Bild: Hochnebel über dem Lienzer Becken (Osttirol). Eigentlich handelt es sich hierbei um eine Wolke, den Stratus. (Bildquelle: foto-webcam.eu)

Hochnebel über dem Lienzer Becken (Osttirol). Dabei handelt es sich eigentlich um eine Wolke, den Stratus. (Foto: foto-webcam.eu)

Begrenztes Platzkontingent
Bevor wir das klären, sehen wir uns erstmal an, was Nebel überhaupt ist. Luft kann – abhängig von der Temperatur – nur eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Ein gutes Maß hierfür ist die relative Luftfeuchtigkeit, geht die Richtung 100%, dann wird’s kritisch. Denn eine Luftfeuchte von 100% heißt: die Luft ist gesättigt – bildlich gesprochen: alle “Wasserdampfplätze” in ihr besetzt. Alles was jetzt noch dazukommt, ist zu viel; der überschüssige Wasserdampf wechselt in Folge von der gasförmigen in die flüssige Phase, kondensiert damit zu feinsten Wassertröpfchen (Durchmesser kleiner als 0,12 mm) – und wird sichtbar: zuerst in Form von Dunst, in Folge von Nebel.

Logisch!
So eine Sättigung kann dabei auf 2 Arten erreicht werden. Die erste ist trivial, weil schlüssiger: Einfach Feuchtigkeit zuführen, bis alle diese Plätze besetzt sind (und die Luftfeuchte damit 100% beträgt)! In so einem Fall sprechen Meteorologen von Verdunstungsnebel, prominentestes Beispiel hierfür ist Fluss- oder Seerauch1. Er entsteht, wenn kalte Luftmassen über (im Vergleich) wärmere Gewässer ziehen – die Luft nahe der Wasseroberfläche wird dadurch rasch feuchter (absolut wie relativ2), was den Eindruck einer “rauchenden” Wasseroberfläche erzeugt.

Verdunstungsnebel

Seerauch tritt oft über Gewässer auf. Er zählt zum Typus Verdunstungsnebel. (Foto: marcschoenfeld.com)

Einfache Alternative
Alternativ lässt sich auch über die Temperatur Sättigung erreichen. Ist zwar im ersten Moment etwas weniger logisch als der Weg über die Feuchte, dahinter steckt aber ein einfaches Prinzip: Kalte Luft kann weniger Wasserdampf aufnehmen als warme, stellt also weniger “Wasserdampfplätze” zur Verfügung. Wird nun Luft abgekühlt, ändert sich zwar nichts am Wasserdampfgehalt (der bleibt gleich), sehr wohl aber an der Anzahl der “Wasserdampfplätze”, die weniger werden. Etwas meteorologischer ausgedrückt: Es ändert sich die relative Luftfeuchte, nicht jedoch die absolute2. Zumindest nicht, bis die relative 100% erreicht hat – den Sättigungspunkt.

Auf nach Jerusalem!
Wie praktisch, dass im Herbst die Nächte immer länger werden! Denn lange Nächte bieten dem Boden mehr Zeit um abzukühlen; die kalte Erdoberfläche kühlt dann ihrerseits die bodennahe Luftschicht – funktioniert besonders gut in sternenklaren, windschwachen Nächten. Was folgt, ist ein „Reise nach Jerusalem“-Spiel: Jedes Zehntel-Grad Abkühlung kostet ein paar “Wasserdampfplätze” – sind diese besetzt, muss der Wasserdampf raus und kondensiert. Das Ergebnis wird als Abkühlungsnebel bezeichnet und führt zu dem, was wir alle kennen: dem klassischen Bodennebel – klassischer Bestandteil eines schönen Herbsttages.

Bodennebel

Bodennebel entsteht, wenn die Luft in sternenklaren, windschwachen Nächten stark abkühlt. Er zählt zum Typus Abkühlungsnebel. (Foto: M. Süßen / CC BY-SA 2.5, Quelle: Wikipedia)

Abnormale Stabilität
Doch warum reicht der Bodennebel nur wenige Meter in die Höhe? Das Zauberwort hierfür heißt Inversion (für alle Nicht-Lateiner unter uns: Umkehr). Gemeint ist eine Temperaturumkehr: Da Abkühlung stets vom Boden her einsetzt, kann es passieren, dass es bodennah kälter ist als darüber. Und damit haben wir ein klitzekleines Problem, denn der Normalzustand ist genau umgekehrt (weiß jeder: am Berg ist es oft kälter ist als im Tal). Paradoxerweise aber ist just der inverse Zustand der stabilere! Warum? Nun, kalte Luft ist physikalisch schwerer als warme.

Eine Frage der Dichte
Um diesen Zustand etwas zu veranschaulichen, könnt ihr folgendes ausprobieren: Füllt ein Glas halbvoll mit Fanta (oder Almdudler, was auch immer), und macht das Glas dann vorsichtig mit Cola light voll – was haben wir dann? Richtig: Ein Spezi. Aber! Es wird sich nicht vermischen, unten ist es gelb (Fanta) bzw. ocker (Almdudler) und oben schwarz (Cola). Wie das? Cola light hat keinen Zucker intus, damit ist es weniger dicht und daher leichter, als zuckerhältige Limos. Umgelegt auf unsere Inversion ist nun das Fanta die kalte Luft, das Cola die warme.

Jedem Topf sein Deckel
Die Grenze zwischen der schweren (kalten) und leichten (warmen) Luft wirkt dabei wie eine Sperrschicht, die keinen vertikalen Lufttransport mehr zulässt – quasi so, als würde man einen (unsichtbaren) Deckel drauftun. Bildet sich unter diesem nun Nebel, kann er nicht nach mehr oben entweichen, ist damit gefangen – womit erklärt ist, warum Bodennebel nicht ewig in die Höhe reicht.

Inversion

Bild: Blick auf Zell am See (Salzburg). Die Grenze zwischen kalt unten und warm oben wirkt wie eine Sperrschicht (Inversion), unter der sich die Feuchte ansammelt. Aus der so entstandenen Dunsthaube kann Hochnebel entstehen. (Foto: foto-webcam.eu)

Unten wie oben
Gibt es nun so eine Sperrschicht in der Höhe, dann kann sich unter diesem Höhendeckel genauso Nebel bilden – et voila: wir sind beim Hochnebel, der zwar Wolkenstatuts genießt, dennoch in die Kategorie Abkühlungsnebel fällt. Doch wie kommt nun eine Inversion in der Höhe zu Stande, wenn doch Abkühlung stets vom Boden her erfolgt? Da kommen nun die Hochdruckgebiete ins Spiel.

Wenn der Vor- zum Nachteil wird
Zur Wiederholung: Diese Dinger sorgen für Schönwetter, weil in ihnen die Luft großräumig absinkt und sich dadurch erwärmt – und genau dieser Vorteil wird uns in der kalten Jahreszeit zum Verhängnis. Denn durch diesen Absinkprozess kann es passieren, dass die in einer bestimmten Höhe ankommende Luft auf einmal wärmer ist, als die dort befindliche (vom Absinkvorgang nicht erfasste). Die so entstandene Höheninversion verhindert damit ebenso den vertikalen Luftaustausch, wir ihr Pendant am Boden; Nebel kann sich nur mehr horizontal (oder nach unten) ausdehnen. Das erklärt, warum Hochnebel oft über ganze Landesteile liegt und Tag für Tag mächtiger (und zwar nach unten hin) werden kann.

Inversion_Graphik

Temperaturverlauf mit der Höhe im Normalzustand, im Falle einer Boden- sowie einer Höheninversion (rot). Bei Inversionen nimmt die Temperatur mit der Höhe zu. (Graphik: wetterblog.at)

Umkehrschluss
Wir wissen nun also: Nebel entsteht, wenn sich a) die Feuchte erhöht (relativ wie absolut2), die Lufttemperatur aber konstant bleibt (Verdunstungsnebel) oder b) die Temperatur absinkt, dann aber die (absolute2) Feuchte konstant bleibt (Abkühlungsnebel). Quizfrage: Wie löst sich nun der Nebel auf? Richtig! In beiden Fällen muss man die Temperatur erhöhen, denn damit kann die Luft ja wieder mehr Wasserdampf aufnehmen, die Wassertröpfchen verdunsten (gehen also von der flüssigen wieder in die gasförmige Phase). Und wer ist (in der Regel) für so eine Erwärmung zuständig? Wieder richtig! Die Sonne.

Einmal umrühren, bitte!
Das erklärt nun wiederum, warum sich Nebel (egal in welcher Höhe) im Sommer nicht lange halten kann – die Kraft der Sonne ist zu stark; abgesehen davon, Inversionen im Sommer selten. In der kalten Jahreszeit allerdings können Inversionen nicht nur gewaltig sein, die Sonne hat auch weder die Kraft (die Sonne steht im Winter ja tiefer) noch die Zeit (Tage sind kürzer), dem grauen Schlaz, einmal gebildet, den Garaus zu machen. Wir brauchen also etwas anderes, denkt an unser Spezi: Einen Löffel zum Umrühren!

Schirch + Schirch = Schön
Und da kommt uns recht oft etwas zur Hilfe, was auf den ersten Blick unlogisch erscheint: Es sind nämlich recht häufig nur mehr Kaltfronten, also jetzt nicht gerade Schönwetterbringer, die dem Hochnebel zu Leibe rücken und uns von dem grauen Elend erlösen können – indem sie dem Nebel das nehmen, was ihnen vom Hoch geschenkt wurde: die Inversion. Kaltfronten sind damit richtige Inversionszerstörer!

Schrott-Kastln
Wir sehen also, auch beim Wetter ist nicht immer alles so, wie es scheint: Hochs bringen nicht zwangsläufig Sonnenschein, und Kaltfronten können schon mal Retter werden. Das behirnen übrigens automatische Wetterstationen überhaupt nicht: Steigt der Druck, zeigen sie Sonnenschein an, auch wenn’s draußen grau ist. In einem solchen Fall lügen die Kastln zwar nicht (oder sind gar kaputt), die Prognose ist trotzdem für’n Hugo. Und damit ist mein Job (und der meiner Kollegen) noch eine Zeit lang gesichert :)

PS: Wien (und angrenzende Gebiete) ist übrigens besonders anfällig für Hochnebel – die Bundeshauptstadt sitzt oft tage-, wenn nicht wochenlang in der Dreckssuppe. Denn Wien hat einen großen Nachteil: seine Lage. Und dass uns die Ungarn nicht mögen, ist auch nicht sehr vorteilhaft – dazu aber in einem anderen Artikel mehr.


Fußnoten:
1
Nicht zu verwechseln mit Seenebel, der andere Ursachen hat und bevorzugt an Meeresküsten auftritt.

2 Man unterscheidet zwischen absoluter [g/m³] und relativer [%] Luftfeuchte. Der absolute Gehalt gibt den tatsächlichen Wasserdampfgehalt der Luft (unabhängig der Temperatur) an, die relative das Verhältnis vom vorhandenen zum maximal möglichen (temperaturabhängig).

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