Wenn Heilige Kälte bringen

Fragen über Fragen
Sie stehen Mitte Mai im Kalender, sind vom Landwirt bis zum Hobbygärtner gefürchtet, und gelten damit als wohl bekannteste aller Bauernregeln: die Eisheiligen. Doch was hat es mit diesen ominösen Herren auf sich? Bloß eine nette Geschichte oder bringen sie tatsächlich gerne Kälte? Und vor allem: Was hat das alles mit der Kirche zu tun?

Who the fuck … ?!
Wer von diesen Wichtigtuern noch nie gehört hat, hier die Kurzzusammenfassung: Wer zu früh pflanzt, ist selber schuld! Man kann das freilich auch ein wenig ausschmücken und einen Reim bilden, dann klingt es etwa so:

Pankraz, Servaz und Bonifaz sind böse Brüder,
was der Frühling gebracht, zerstören sie wieder.
Aus diesem Grunde pflanze nie,
vor dem Tag der kalten Sophie.

Gruß von den Eisheiligen!

Gruß von den Eisheiligen! (Foto: APA)

Österreichische Emanzipation
Die Heiligen heißen also Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai) und Bonifatius (14.Mai). In Deutschland gesellt sich noch ein Herr namens Mamertus (11. Mai) hinzu, in Österreich hingegen eine Dame – die Sophie (15. Mai). Wie sooft bei Heiligen, sind die Herren (und die Dame) allesamt Märtyrer, nur Kollege Servatius dürfte, nachdem er den Hunneneinfall in Europa im Jahre 450 n.Chr. vorhergesagt haben soll, eines natürlichen Todes gestorben sein.

Ehre, wem Ehre gebührt
Die besondere Bedeutung der Eisheiligen liegt darin, dass ein Kälteeinbruch im Mai in eine äußerst empfindliche Vegetationsperiode vieler Pflanzen fällt – Minusgrade sind da also eher ungünstig. Man hat aber bereits im Mittelalter beobachtet, dass genau das recht oft passiert – für einen damaligen Bauern konnte so ein Frostereignis schlichtweg existenzbedrohend sein. Aus diesem Grund entstanden Lostage, die nach altem Volksglauben einen Hinweis auf das Wetter bzw. dessen Entwicklung geben sollten. Und da nach kirchlicher Tradition ein jeder Tag einem Heiligen gewidmet ist, hat man die an diesen Tagen gültigen einfach zu neuen Ehren erhoben.

Normale Anomalien
Doch wichtiger als der Hintergrund, ist die Frage, ob was dran ist, an der Regel. Und tatsächlich haben es die Eisheiligen geschafft, in den Kanon der Wetterfrösche aufgenommen zu werden. Ja, sowas haben wir Meteorologen tatsächlich! Wir bezeichnen die Herren (inklusive Dame) nämlich als meteorologische Singularität – eine einzigartige (lat. singularis), auffällig oft wiederkehrende Witterung zu einer bestimmten Zeit im Jahr. Diesen Ehrentitel bekommt freilich nicht jede Bauernregel; prominente Beispiele, die diesen ebenfalls tragen, sind das berühmt-berüchtigte Weihnachtstauwetter oder die von vielen gefürchteten Hundstage im Sommer. Man kann also sagen, die Eisheiligen bringen tatsächlich häufig Kälte – aber nur, wenn man ein wichtiges Detail berücksichtigt: die Kalenderreform.

Es war einmal …
Im 16ten Jahrhundert nämlich nahm sich Papst Gregor XIII den bis dahin gültigen Julianischen Kalender (eingeführt von Julius Cäsar himself!) zur Brust. Eine Kalenderreform war damals dringend nötig, da der Julianische einen großen Nachteil hatte: das Kalenderjahr war gegenüber dem Sonnenjahr schlicht zu lang, was wiederum eine falsche Datierung des Osterfestes zur Folge hatte. Geht natürlich gar nicht, ergo übersprang man 1582 mir nichts, dir nichts 10 Tage, setzte den Gregorianischen Kalender ein (der dieses Manko nicht hatte) und war wieder glücklich. Bis auf die Protestanten halt, kam die Kalenderreform schließlich von einem Papst.

Quod erat demonstrandum
Mit dem Wissen, dass 10 Tage fehlen, werfen wir nun einen Blick auf den langjährigen Temperaturverlauf von Wien und Innsbruck (funktioniert auch mit jeder anderen Stadt). Und siehe da: Mitte Mai (also wenn die Eisheiligen im Kalender stehen) tut sich nicht wirklich was, sehr wohl aber in der letzten Mai-Dekade: Die Temperaturkurve macht einen deutlichen Knick nach unten.

Mittlere Mai-Temperaturen

Mittlere Mai-Tagesmaxima für Innsbruck und Wien, Zeitraum 1950-2013 (Datenquelle: ZAMG, Graphik: wetterblog.at)

Kühl ist nicht kalt
Aber nur weil es ein paar Grad kühler wird, frieren nicht gleich alle Pflanzen ab. Wie steht’s also um die Angst der Gärtner punkto Frost? Sehen wir hierfür noch einmal in die Vergangenheit und schauen, wie oft Luftfrost im Mai überhaupt – also nicht nur zu den Heiligen – vorkommt:

Frosttage im Mai

Mittlere Zahl der Frosttage im Mai, Klimaperiode 1971-2000 (Daten: ZAMG).

Da schau her!
Die Zahlen sprechen für sich: Minustemperaturen sind im Mai wahrlich eine Seltenheit! Seit den 70ern ist Luftfrost in Wien und Eisenstadt überhaupt nicht, in den anderen Landeshauptstädten gerade 1 bzw. 2 Mal aufgetreten. Und selbst auf 1000 Meter Seehöhe (mit Beispiel Seefeld und Tamsweg) oder in wahren “Kältelöchern” (wie Zwettl) sind Minustemperaturen im Mai eher die Ausnahme. Woher kommt also die Angst der Bauern und Gärtner?

Ursache und Wirkung
Hier müssen wir nun zwischen Luft- und Bodenfrost unterscheiden, denn ob es am Boden gefriert, ist nicht zwingend von der Lufttemperatur abhängig, welche übrigens sets in 2 Meter Höhe gemessen wird. Genau genommen kühlt gar nicht die Luft den Boden, sondern der Boden die Luft. Analog im Sommer: Die Sonne heizt zuerst den Boden auf, der dann wiederum die Luft erwärmt – keine Angst, dieser Umstand ist den wenigsten bewusst ;)

Gewaltige Gegensätze
Wenn also Luft stets vom Boden her abkühlt, dann ist leicht vorstellbar, dass (richtige Wetterlage vorausgesetzt) die Luft oben (in 2 Meter Höhe) wärmer sein kann, als die am Boden (gemessen in 5 cm Höhe). Und dieser Unterschied kann schon mal gewaltig sein, wie ein Beispiel aus Wien vom Jahre 1970 zeigt:

eisheilige2

Luft- und Bodentemperatur am Beispiel Wien (Hohe Warte) vom 25.05.1970 (Daten: ZAMG).

Sichere Plätze
Wir sehen also: Im Grunde ist es wurscht was der Thermometer anzeigt – wichtig ist, was sich bodennah abspielt, und da kann’s schon mal punkto Bodenfrost kritisch werden. Auf Balkonen oder Dachterrassen droht hingegen meist keine Gefahr mehr – liegen diese doch in der Regel ja höher als 5 cm. Übrigens, eine nette Spielerei am Rande: Pflanze nie, vor der Kalten Sophie passt in Wien, wie die Faust auf’s Auge: Der 25. Mai ist (unter Berücksichtigung der Kalenderreform!) eben just der Tag dieser Sophie – und das obige Beispiel tatsächlich das späteste Bodenfrost-Ereignis in der Klimageschichte Wiens …

Alles klar?!
Wenn man die Heiligen nicht an ihren Gedenktagen im Kalender festnagelt, ist an der Regel also wirklich was dran! Warum, ist schnell erklärt: In Mitteleuropa hat sich zumeist schon sommerlich warmes Wetter eingestellt, die Freibäder haben aufgesperrt und die Eisstandln geöffnet. Anders hingegen im hohen Norden – hier hat alles, was mit Sommer zu tun hat, noch zu; im Vergleich ist es dort oben halt noch kalt (warum das so ist, kann man im Artikel April, April! nachlesen). Dreht nun die Großwetterlage dummerweise mal auf Nord, ist diese kalte Luft sofort wieder bei uns – im schlimmsten Fall eben auch mit Frost. Dreht die Strömung hingegen auf Süd, kann es im Mai schon die erste Hitzewelle geben. Bloß gibt’s hierfür keine Regel …

PS: Zuletzt haben die Eisheiligen vor 5 Jahren mit voller Härte zugeschlagen: 2012 hat Mitte Mai extremer Bodenfrost der Landwirtschaft in weiten Teilen Niederösterreichs, des Burgenlandes und der Steiermark schwer zugesetzt. Man darf gespannt sein, was uns heuer blüht …


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