Sommer 2024: Heiß wie nie

Von wegen Jahrtausende!
Der Sommer 2003 gilt bis heute als einer der schwersten Naturkatastrophen des europäischen Kontinents, er forderte 70.000 Hitzetote und bilanzierte in vielen Ländern als der damals heißeste der jeweiligen Messgeschichte. Auch in Österreich setzte dieser Sommer neue Maßstäbe mit einer (für damalige Verhältnisse) unglaublichen Abweichung von +2,1 Grad zum langjährigen Mittel – zum Vergleich: der bis dahin gültige Rekordhalter (der Sommer 1992) schaffte es auf gerade mal +0,7 Grad. Die Wahrscheinlichkeit, einen derart heißen Sommer auch nur ein Mal erleben zu dürfen/müssen, lag damals bei weniger als 0,28 %; dass sich etwas Vergleichbares innerhalb kürzester Zeit auch noch wiederholen könnte, war diversen Studien zufolge praktisch ausgeschlossen. Eine sah sogar eine Wiederkehrperiode im Bereich von Jahrtausenden! Doch der Klimawandel hat Fahrt aufgenommen: Allen statistischen Gesetzmäßigkeiten zum Trotz standen gleich mehrere Sommer der jüngeren Vergangenheit – 2015, 2017, 2018 und 2022 – dem “Jahrtausendsommer” von einst in nichts nach, 2019 konnte aufschließen, der heurige hat ihn übertroffen. Und neben der nicht enden wollenden Hitze prägten einmal mehr Unwetter beispielloser Heftigkeit den Sommer 2024 – eine Bilanz.

Video: Zeitraffer des Unwetters über Wien vom 17. August 2024, Quelle: Johannes Steinhäuser, Skywarn Austria

Das Wiener Unwetter
17. August 2024, am Ende der fünften und längsten Hitzewelle des Sommers. Große Trockenheit plagt mittlerweile den Osten Österreichs, in vielen Regionen hat es den gesamten Hochsommer hindurch kaum geregnet. In Wien sind die Wiesen längst braun, Sträucher verdorrt, selbst große Bäume sind bereits im Notbetrieb und zeigen Trockenschäden. Die tagtäglichen Unwetterberichte aus den Bundesländern wirken fern – ein Unwetter in Wien? Mit Hagel? Sturzfluten? Für viele unvorstellbar – doch an jenem Tag, gegen 16 Uhr MESZ, passiert genau das: Über die nordwestlichen Bezirke Wiens zieht ein Gewitter, wie es die Stadt noch nie zuvor erlebt hat. Auf der Hohen Warte in Döbling fallen in nur 1 Stunde (!) 94,1 mm Niederschlag – nicht nur ein Rekord für die Bundeshauptstadt, oh nein. Österreich-Rekord! Niemals zuvor – bei keinem Gewitter, bei keinem Dauerregen, nicht einmal in den niederschlagreichsten Regionen unseres Landes – wurde derart viel Regen in nur einer Stunde gemessen; der bisherige Rekord lag bei 91,2 mm, aufgestellt im Juni 2009 in Seibersdorf (NÖ). Und besonders paradox: Mit diesen 60 Minuten hat Wien sein sommerliches Niederschlagssoll übererfüllt – obwohl es davor und danach kaum geregnet hat; mit insgesamt nur 16 Regentagen brachte der Sommer der Bundeshauptstadt nämlich die wenigsten Tage mit Niederschlag seit 1904.

Die Regenraten des Unwetters über Wien vom 17. August 2024. Alle Messwerte Station Hohe Warte.

Regenraten Regenmenge Rekord
10 Minuten
26,7 mm 2. Platz 27,8 mm / 24. Mai 2014
30 Minuten
65,8 mm Rekord 53,9 mm / 24. Mai 2914
1 Stunde 94,1 mm Rekord 60,9 mm / 24. Mai 2014
3 Stunden 110,1 mm Rekord 76,9 mm / 17. Juli 2021
24 Stunden – August 113,9 mm


Rekord 75,7 mm / 12. August 1959
24 Stunden – Sommer Rekord 109,7 mm / 20. Juni 1886
24 Stunden – Jahr 2. Platz 139,3 mm / 15. Mai 1885
Der Übelbach in Deutschfeistritz (ST) ist innerhalb kürzester Zeit auf ein 300-jährliches Hochwasser angeschwollen.

Der Übelbach in Deutschfeistritz (ST) ist am 08. Juni 2024 im Zuge eines Gewitters auf ein 300-jährliches Hochwasser angeschwollen.

Der Bundesländer Alltag
Das Wiener Gewitter ist zwar prominentestes Unwetter-Beispiel in diesem Sommer, doch längst nicht das einzige. Gleich mehrmals wurde die Steiermark heimgesucht: Bereits Anfang Juni kam es im Grazer Umland etwa zu schwersten Überflutungen, in Deutschfeistritz beispielsweise ist der dortige Übelbach (ein Nebenbach der Mur) in kürzester Zeit auf ein 300-jährliches Hochwasser angeschwollen. Die nächstgelegene Wetterstation ist jene in St. Radegund (ca. 12 km entfernt), in einer Stunde wurden dort 81,8 mm Niederschlag verzeichnet (Steiermark-Rekord) – in Deutschfeistritz selbst dürfte es weit schlimmer zugegangen sein. Im Juli verlagerte sich der Schwerpunkt vermehrt in die Obersteiermark – Aflenz z.B. wurde am 17. d. M. heftig getroffen, als innerhalb kürzester Zeit ebenfalls knapp 100 mm Niederschlag fallen (Tagesniederschlagsrekord). Schwere Gewitter auch in Tirol (Arlberg, Pitztal), Salzburg (Pongau), Kärnten (Drautal, Klagenfurter Becken), Niederösterreich (Bezirk Hollabrunn, Raum Semmering) – ein Bundesland nach dem anderen ist heuer zum Handkuss gekommen, häufig in nie zuvor gemessener Heftigkeit. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen, aber: Kaum ein Gewittertag ohne Niederschlagsrekorde – sommerliche Normalität in Zeiten des Klimawandels.

Ausgewählte Orte, an denen im Sommer 2024 im Zuge von Gewittern Tagesniederschlagsrekorde verzeichnet wurden (Daten: GeoSphere Austria, Grafik; wetterblog.at)

Die Gesamtzahl der Blitze im Sommer (Juni – August) in Österreich im Vergleich (Daten: ADLIS, Grafik: wetterblog.at)

Überraschung!
In diesem Zusammenhang mag es überraschen, dass die Heftigkeit der Gewitter zwar beispiellos, die Gewittertätigkeit selbst aber nicht sonderlich hoch war; die Anzahl der Blitze ist zwar im Vergleich mit den Vorjahren leicht erhöht, in Summe aber bilanziert der Sommer 2024 eher blitzarm. Das spiegelt auch die Niederschlagsanalyse über alle 3 Sommermonate wider: Während es in Vorarlberg, Nordtirol, Salzburg und in der Steiermark gleichmäßigen Niederschlagsnachschub gab (allen voran in der ersten Sommerhälfte), waren die außeralpinen Regionen sowie Oberkärnten und Osttirol von langen Niederschlagspausen und genereller Regenarmut geplagt – die Anzahl der Regentage (Tage mit min. 1 mm Niederschlag) ist in diesen Regionen stark defizitär; in der Bundeshauptstadt brachte der Sommer mit nur 16 Regentagen gar die wenigsten seit 120 Jahren, in Eisenstadt (ebenfalls mit 16) die wenigsten seit Messbeginn 1936. Österreichweit bleibt so unterm Strich ein Minus in der Niederschlagsbilanz von rund 13 %.

  Tage mit > 1 mm
Tage mit > 10 mm
Tage mit > 30 mm
Ort 2024 Mittel
2024
Mittel 2024
Mittel
Wien – Hohe Warte 16 25,3 5 6,8 2 1,0
St. Pölten 26 29,7 8 8,8 1 1,8
Eisenstadt 16 25,8 7 7,3 0 1,2
Linz 26 33,2 7 9,4 0 1,1
Salzburg – Flughafen 46 43,5 19 16,1 3 2,7
Innsbruck – Universität 39 40,0 13 13,2 1 1,8
Bregenz 45 40,6 17 18,5 8 4,9
Graz – Universität 32 31,9 12 12,5 3 2,7
Klagenfurt 28 31,5 10 12,3 2 2,5
Lienz 29 35,0 4 12,5 0 1,4

Der Warnungen taub
Doch wie lassen sich die vielen Niederschlagsrekorde erklären? Nun, dahinter steckt einfache Physik: Luft, die wärmer wird, kann mehr Wasserdampf aufnehmen – Merkregel: Pro Grad Erwärmung um ca. 7 % mehr (im Zuge von Gewittern sogar deutlich über 10 % mehr). Gleichzeitig aber hinkt die Verdunstung dieser höheren Aufnahmekapazität hinterher und legt nur um etwa 4 % pro Grad Erwärmung zu. Es dauert also ein Zeitl, bis “die Speicher voll” sind; wenn sie das aber sind, dann hama den Salat – einen, vor dem die Wissenschaft seit Jahrzehnten warnt: Unwetter und Dürre gehen immer häufiger Hand in Hand. In Österreich ist dies längst nachgewiesen: Tage mit starken oder extremen Niederschlagsmengen (wie sie im Zuge von schweren Gewittern auftreten) haben im Sommer um bis zu 30 % zugenommen, wohingegen Tage mit moderaten oder schwachen Mengen stetig abnehmen. Das Wiener Rekord-Unwetter bei gleichzeitig geringster Anzahl an Regentagen in der Bundeshauptstadt seit über 100 Jahren ist dahingehend wohl eindrücklichstes Beispiel; eines, das all jene – vom österreichischen Bundeskanzler abwärts – Lügen straft, die den Klimawandel nach wie vor nicht ernst nehmen.

Änderung der Tage mit bestimmten Regenmengen in Österreich, Vergleich der Periode 1991-2020 zu 1961-1990. Die Einteilung erfolgt in Perzentilen, in der Gruppe “extrem” sind zum Beispiel alle Fälle enthalten, die größer als 98% aller Ereignisse sind (schwach <30 pct, moderat 30-60 pct, beträchtlich 60-90 pct, stark 90-95 pct, sehr stark 95-98 pct, extrem >98 pct). Daten: GeoSphere Austria, Grafik: wetterblog.at

In tropischen Gefilden
Ein weiteres Alarmsignal für die stete Zunahme der Unwetter: unsere Sommer werden immer schwüler. Ein quantitatives Maß, diesen Schwülegrad zu beschreiben, ist der sogenannte Taupunkt; er ist zwar ein Feuchtemaß, wird aber wie eine Temperatur in Grad Celsius angegeben. Ab etwa 16 Grad empfinden viele die Luft als schwül, ab 18 Gad wirds unangenehm, ab 20 Grad drückend. Taupunkte bis etwa 20 Grad sind in Österreich häufig, darüber eher selten und mehr als 24 Grad sind praktisch die Ausnahme; in den letzten zwanzig Jahren lag der höchste in Österreich gemessene Taupunkt bei 25,1 Grad (2023 in Micheldorf (OÖ) und 2007 auf der Hohen Warte in Wien). Doch am Abend des 13. August 2024 wurden in Podersdorf am Neusiedler See (B) 26,0 Grad gemessen! Sechsundzwanzig Grad!

Der Anstieg des Taupunkts im Alpenraum seit 1940.

Das sind Werte, wie sie für ein tropisch-feuchtes Monsunklima typisch wären, aber ganz sicher nicht für einen Sommerabend am Neusiedler See – zumindest war das mal so. Wohin die Reise geht, ist offensichtlich: Die Sommer in Österreich werden zunehmend tropisch; der heurige ist gar der schwülste Sommer im gesamten Alpenraum seit Messbeginn 1940.

Sommernachtsalpträume
Hohe Taupunkte sind Zeichen für viel Feuchte in der Luft, das wiederum begünstigt einerseits Gewitter mit Starkregen, andererseits aber hat der hohe Feuchtegrad noch eine weitere, fatale Nebenwirkung: Er verhindert eine effiziente nächtliche Abkühlung. Wenn also der Schwülegrad ein nie dagewesenes Niveau erreicht, was tut sich dann in den Nächten? Eben! Sie können gar nicht mehr abkühlen: 8 von 9 Landeshauptstädte bilanzieren (im Mittel) mit den jeweils wärmsten Sommernächten seit Messbeginn (Ausnahme nur Bregenz), 5 davon (Wien, St. Pölten, Linz, Eisenstadt und Graz) verzeichnen einen Rekord an Tropennächten (Tiefstwert ≥ 20 Grad). Dieser Effekt der eingeschränkten Abkühlung ist übrigens kein Phänomen exklusiv der Ballungszentren, auch in den kältesten Regionen unseres Landes kommt dieser zum Tragen – wie im niederösterreichischen Waldviertel (Litschau, Zwettl), oberösterreichischen Mühlviertel (Freistadt), im Salzburger Lungau (St. Michael), im Osttiroler Defereggental (St. Jakob), ja selbst auf unseren Bergen wie am Hohen Sonnblick in den Salzburger Tauern auf über 3100 Meter Seehöhe – niemals zuvor hat es hier (im Mittel) wärmere Nächte gegeben! Sommerfrische im 21. Jahrhundert.

Die mittlere Minimumtemperatur im Sommer 2024 im Vergleich zum langjährigen Mittel:

Ort Sommer 2024 Sommer 2003
Mittel 1991-2020
Rekord
Wien – Innere Stadt 19,8 Grad 19,3 Grad 17,6 Grad Rekord
Wien – Hohe Warte 18,0 Grad 17,2 Grad 15,8 Grad Rekord
St. Pölten 16,9 Grad 15,9 Grad 14,5 Grad Rekord
Eisenstadt 18,1 Grad 16,9 Grad 15,7 Grad Rekord
Linz 17,2 Grad 16,5 Grad 15,1 Grad Rekord
Salzburg – Flughafen 15,5 Grad 15,5 Grad 13,8 Grad Rekord eingestellt
Innsbruck – Universität 15,5 Grad 15,4 Grad 13,8 Grad Rekord
Bregenz 15,9 Grad 17,1 Grad 14,6 Grad 2003
Graz – Universität 17,0 Grad 16,5 Grad 14,9 Grad Rekord
Klagenfurt 16,3 Grad 15,1 Grad 13,7 Grad Rekord
Lienz 14,6 Grad 13,4 Grad 12,2 Grad Rekord

Es waren nicht die Tage …
In genau diesem Punkt unterscheidet sich der heurige Sommer auch maßgeblich vom bisher heißesten, dem Sommer 2003. Die Hitze tagsüber war nämlich gar nicht so das große Problem – bitte nicht falsch verstehen: Hitze ist und bleibt ausnahmslos IMMER eine Naturgefahr, an der absolut nichts schönzureden ist. Aber verglichen mit den Sommern der Vorjahre sticht der heurige punkto Hitze nicht sonderlich hervor; ganz im Gegenteil: Die Anzahl der heißen Tage (Höchstwert ≥ 30 Grad) hat nur punktuell im Osten Österreichs neue Rekordwerte erreicht, z. B. in Eisenstadt (B), das seinen Rekord auf 41 heiße Tage erhöht (alter Rekord 38), in der Wiener Innenstadt, in der gleich 45 heiße Tage gezählt wurden (alter Rekord 44 Tage), wie auch gebietsweise im Weinviertel, beispielsweise in Bad Deutsch-Altenburg (NÖ), das mit 50 heißen Tagen sogar knapp am Österreich-Rekord vorbeischrammt (51 Tage, aufgestellt im Sommer 2003 in Leibnitz / ST). Sonst aber – vor allem im Westen und Süden Österreichs – hatten andere Sommer (wie eben 2003) deutlich mehr zu bieten. Auch waren die absoluten Maxima für einen Sommer des 21. Jahrhunderts vergleichsweise niedrig: “Bloß” 36,9 Grad bitteschön in Bad Deutsch-Altenburg im östlichen Weinviertel – wie häufig waren wir da in den letzten Jahren an der 38-Grad-Marke dran? Man muss schon bis ins Jahr 2016 zurück, um einen tieferen Absolutwert zu finden. Betrachten wir also nur die Tage, dann war dieser Sommer zwar heiß, aber weit weg von irgendwelchen Rekorden; er würde in der Bilanz lediglich auf Platz 10 landen. Selbst der Sommer vom letzten Jahr war so gesehen heißer!

Die absoluten Höchstwerte der Sommer der letzten 21 Jahre (Grafik: wetterblog.at)

Die Anzahl der heißen Tage (Höchstwert ≥ 30 Grad) der Landeshauptstädte im Vergleich zum Sommer 2003 und den Rekordwerten.

Ort Sommer 2024 Sommer 2003
Mittel 1991-2020
Rekord
Wien – Innere Stadt 45 43 25,4 44 / 2019
Wien – Hohe Warte 38 38 20,1 40 / 2015
St. Pölten 36 40 17,7 40 / 2015
Eisenstadt 41 36 20,1 38 / 2015
Linz 32 28 14,9 39 / 2015
Salzburg – Flughafen 17 26 12,0 31 / 1994
Innsbruck – Universität 32 41 20,7 43 / 2015
Bregenz 12 15 7,6 29 / 2015
Graz – Universität 34 38 16,7 38 / 2003
Klagenfurt 34 37 18,9 37 / 2003
Lienz 33 35 13,4 35 / 2003

… vielmehr die Nächte!
Aber für die Gesamtbilanz sind eben auch die Nächte entscheidend – und diese stellen im Sommer 2024 alles bisher Dagewesene in den Schatten. Mit der bis zu 6-fachen Menge an Tropennächten (im Vergleich zum langjährigen Mittel) quälte man sich im östlichen Flachland durch diesen Sommer, an der Spitze naturgemäß die Wiener Innenstadt mit 46. JEDE ZWEITE SOMMERNACHT WAR HIER TROPISCH! Der alte Rekord wurde um eine knappe Woche überboten (40 im Sommer 2019, 39 im Sommer 2003). Noch extremer Eisenstadt, hier wurde mit 27 Tropennächten der alte Rekord gleich um 8 Tage überboten (19 im Sommer 2015, 2003 kam überhaupt nur auf 10). Bis auf Bregenz (3 Tropennächte), Klagenfurt (1 Tropennacht), Innsbruck, Salzburg und Lienz (jeweils keine) haben alle Landeshauptstädte ihren bisherigen Rekord pulverisiert. Und immer häufiger sind auch Regionen betroffen, in denen derart warme bislang unbekannt waren: Wie zum Beispiel in Friesach (K), das am 17. Juli mit einem Tiefstwert von 20,4 Grad seine Tropennacht-Premiere feiern durfte (Messbeginn 1958), in Aspang (NÖ), wo man am 30. Juni mit 21,1 Grad Tiefstwert die wärmste Nacht erlebte (alter Rekord und bislang einzige Tropennacht: 20,4 Grad im August 2023, Messbeginn 1948) oder in Aspach (OÖ), das erstmals in der Messgeschichte (Beginn 1969) gleich zwei Tropennächte in einem Sommer aufzuweisen hat (alter Rekord: 1, u.a. 2023). Übrigens, Detail am Rande: In der Wiener Innenstadt gab es in diesem Sommer mehr Tropennächte (46) als heiße Tage (45) – leko mio sag ich nur.

Die Anzahl der Tropennächte (Tiefswert ≥ 20 Grad) der Landeshauptstädte im Sommer 2024.

Ort Sommer 2024 Sommer 2003
Mittel 1991-2020
Rekord
Wien – Innere Stadt 46 39 21,1 40 / 2019
Wien – Hohe Warte 25 11 6,3 23 / 2015
St. Pölten 11 4 1,8 7 / 2015
Eisenstadt 26 10 5,9 19 / 2015
Linz 15 3 3,1 14 /2015
Salzburg – Flughafen 0 1 1,0 3 / 2023, 2013, 1994, 1992
Innsbruck – Universität 0 0 0,6 3 / 2019 & 2015
Bregenz 3 6 2,8 12 / 2015
Graz – Universität 11 4 3,3 9 / 2013
Klagenfurt 1 0 0,4 3 / 2019
Lienz 0 0 0,0 1 / 2005

Hitzeriki!
Apropos leko mio: Die Nacht auf den 30. Juni schlägt überhaupt dem Fass den Boden aus. An rund 1/3 aller Wetterstationen (85 von 270) – und damit an so vielen wie in keiner Nacht zuvor – wurde eine Tropennacht verzeichnet, vielerorts Rekorde gebrochen. Was heißt gebrochen – zerschmettert! Um nur ein Beispiel zu nennen: Wiener Neustadt (NÖ) hatte in jener Nacht einen Tiefstwert von 25,0 Grad zu bieten, der alte Juni-Rekord lag bei 21,8 Grad (2013), der Absolutrekord bei 23,7 Grad (Juli & September 2015). Nicht extrem genug? Kein Problem. Am Morgen des 30. Juni wurden bereits um 8 Uhr früh 30,8 Grad gemessen – in Micheldorf (OÖ). Knappe 31 Grad! Zum Frühstückskaffee! Absurd. Niemals zuvor war es in Österreich an einem Morgen heißer – an keiner Station, in keinem Monat.

Wachet endlich auf!
In der Bilanz sind es somit die Nächte, die alle 3 Sommermonate in schwindelerregende Höhen treiben: Der Juni 2024 belegt Platz 8, der Juli Platz 2 und der August schließlich reiht sich gar an die Spitze und krönt sich zum heißesten August seit 1767; in Linz, Graz, Klagenfurt und Lienz gar zum wärmsten Monat überhaupt. Dem Sommer 2024 gelingt damit, was all seinen Vorgängern – die punkto Hitze weit mehr zu bieten hatten – verwehrt geblieben ist: Er überholt knapp aber doch den “Jahrtausendsommer” des Jahres 2003 und läutet damit ein gänzlich neues Kapitel in der Klimageschichte Österreichs ein. Eines, das als eindringliche Warnung zu lesen ist: Das einstige Extrem wurde Normalität, und in dieser neuen Normalität wird es – muss es – unweigerlich neue Extrema geben. Extrema, wie sie Europa vor 21 Jahren eine der größten Naturkatastrophen des Kontinents brachten. Extrema, wie sie heute nicht einmal ansatzweise vorstellbar sind. Extrema, wie sie schlicht unsere Gesellschaft, unseren Wohlstand, unser aller Leben gefährden.

2024 2003 2019 2015 2022 2017
Platz 1
2t-heißester Sommer 3t-heißester Sommer 4t-heißester Sommer 4t-heißester Sommer 6t-heißester Sommer
Juni +1,3° +3,2° +3,8° +0,5° +2,3° +2,4°
Juli +2,1° +0,4° +1,2° +2,6° +1,4° +0,5°
August +3,1°
+2,6° +1,1° +2,0° +1,2° +1,2°
Gesamt  +2,16° +2,06°
+2,05° +1,72°
+1,66°
+1,35°

Hinweis: Abweichungen nach dem HISTALP-Datensatz, Klimamittel 1991-2020

Beispielloser Aderlass
Unseren Gletschern hat dieser Sommer übrigens den Todesstoß versetzt. Bereits jene der Vorjahre haben ihnen schwer zugesetzt, der heurige aber ist schlicht der Super-GAU: Am Hohen Sonnblick in den Salzburger Tauern – einem der wichtigsten Gebirgsobservatorien der Welt – verlief der gesamte Hochsommer frostfrei. Der gesamte! Nicht ein Mal wurde auf einer Seehöhe von 3109 Metern ein zumindest klitzekleines Minus verzeichnet! Der August 2024 ist damit der erste komplett frostfreie Monat dieser altehrwürdigen Station seit Messbeginn 1886. Und anders als im Tal, gab es hier oben auch tagsüber Wärmerekorde, etwa am 12. August, als die Temperatur auf 15,2 Grad angestiegen ist (am noch höheren Brunnenkogel im Tiroler Ötztal auf 3437 Meter gar auf 15,7 Grad) – niemals zuvor wurde in Österreich oberhalb von 3000 Meter Seehöhe in einem August die 15-Grad-Marke überschritten. Und der Überhammer: Trotz Schneereichtums des vorangegangenen Winters (je nach Höhenlage um bis zu 78 % mehr – siehe Winterbilanz) war der Sonnblick bereits am 25. Juli komplett schneelos! Seit 1938 wird hier oben kontinuierlich die Schneehöhe gemessen; eine Ausaperung im Juli hat es zuvor nur in den Jahren 2023 und 2022 gegeben. Ein Schelm, der da den Klimawandel vermutet … nur noch mal zur Wiederholung: Wir sind heuer mit einem ausgezeichneten Schneepolster in die heiße Jahreszeit gestartet! Unsere Gletscher sind unwiederbringlich verloren.

Abschlussgedanken
Der Sommer 2024 ist nicht nur einfach eine heiße Jahreszeit gewesen, oh nein. Er setzt einem seit 12 Monate andauernden Rekordreigen die Krone auf: Innerhalb des letzten Jahres waren nun 3 Jahreszeiten (Herbst, Frühling, Sommer) und 5 Monate (September, Oktober, Feber, März & August) die jeweils wärmsten ihrer Zunft, der zurückliegende Winter hat Platz 1 nur ganz knapp verfehlt. Auch auf globalem Maßstab folgt ein Monatsrekord auf den nächsten – selbst in Zeiten des Klimawandels kommt eine derartige Entwicklung überraschend. Es ist, als wäre die Erde plötzlich auf eine neue klimatische Ebene katapultiert worden! Wissenschafter auf der ganzen Welt sind alarmiert, weil die Rasanz dieser Entwicklung selbst die pessimistischsten Klimamodelle in die Schranken weisen – haben wir bereits einen bisher unbekannten Trigger ausgelöst? Die Wissenschaftswelt tappt derzeit im Dunklen … und während ich diese Abschlusszeilen schreibe, ist jetzt – 31. August – bereits klar: Auch der folgende September wird Klimageschichte schreiben. Denn der heißeste Sommer der Messgeschichte zieht sich weit in den Herbst.

Die Klima-Bilanz in Österreich seit September 2023 (Grafik: wetterblog.at)

1 Kommentar
  1. Franz Zeiler
    Franz Zeiler sagte:

    Servus Manuel,
    danke für die umfangreiche statistische Datenrecherche.

    Die Rasanz der Klimaänderung mit allen verbundenen Facetten (Hitz, Starkregen, tropische Verhältnisse …..) ist extrem beunruhigend. Anpassungen für Mensch und Ökosysteme sind kaum möglich. Seit längerem mache ich mir Gedanken und suche nach Ursachen, wodurch dieser “boost” ausgelöst wurde. Auch wenn die Wissenschaft noch keine belastbaren Erkenntnisse zu den Ursachen – abgesehen anthropogener Eintrag von Treibhausgasen in die Atmosphäre und Rückkopplungseffekte – liefert oder veröffentlicht, könnte ich mir vorstellen, das der Ausbruch des Unterwasservulkans 01/2022 beteiligt ist. Bei diesem Ereignis wurden große Mengen Wasserdampf, ein hochwirksames Treibhausgas, in die Stratosphäre befördert. Dadurch wurde der Treibhauseffekt verstärkt, die globale Erwärmung Erwärmung erhielt u.U. einen Schub.

    Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Vulkanausbruch_des_Hunga_Tonga_2022

    Man beachte auch den globalen Temperaturanstieg in den letzten 2-3 Jahren im ClimateReorganizer:

    https://www.wettereck-triestingtal.at/wp-content/uploads/2024/09/04.09.2024.Temperatur-global.png

    Quelle: https://climatereanalyzer.org/

    Natürlich fällt auch ElNino in diese Zeit und wirkt wahrscheinlich trotz begonnener LaNina Phase noch nach.
    Ich würde mich über deine Meinung zu meinen Überlegungen freuen!

    Gruß, Franz

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