Winter 2023/24: Fataler Februar
Das Erbe eines einzigen Monats
Die meisten Winter der letzten Jahre teilen ein ähnliches, leidiges Schicksal: Allein in den letzten 10 Jahren waren sieben von ihnen zu warm, lediglich zwei (etwas) zu kühl. Doch egal wie überdurchschnittlich temperiert die Winter in letzter Zeit auch waren, sie alle blieben stets auf Respektsabstand zum bisher wärmsten, den Österreich (strenggenommen halb Europa!) je erlebt hat: zum Winter 2006/07 – das war quasi ungeschriebenes Gesetz, dem sich alle folgenden Winter zu fügen hatten, egal zu welchen Spompanadeln sie auch immer Lust hatten. Doch mit dem heurigen ändert sich das – zum ersten Mal schafft es ein Winter, an den bisherigen Rekordwinter aufzuschließen! Verantwortlich dafür ein einzelner Monat, der extremer gar nicht mehr hätte werden können – und dabei die Klimageschichte Österreichs komplett umgestaltet. Eine Bilanz zum Winterende.
Gedächtnisauffrischung: Der Winter 2006/07
Wir schreiben den 18. Jänner 2007: Orkan Kyrill – Höhepunkt eines an Stürmen reichen Winters – hinterlässt in Europa eine Spur der Verwüstung und gilt bis heute als einer der schadenträchtigsten Stürme der meteorologischen Geschichte. Der Winter 2006/07 ist Sinnbild eines atlantisch geprägten Winters; quasi im 3-Tages-Takt querten damals Stürme den europäischen Kontinent und erinnerten so an die sturmreichen Winter der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts (z.B. Orkan Vivian im Spätwinter 1990 oder Orkan Lothar zu Weihnachten 1999). Generell gilt: Hat der Atlantik mal seine Finger im Spiel, ist der Winter chancenlos; doch Kyrill war selbst für eine solche Atlantikpfuscherei in vielerlei Hinsicht herausragend, auch punkto Temperatur: Die Werte stiegen beim nächtlichen (!) Sturmdurchgang auf bis zu 20 Grad (!) – viele Jänner-Stationsrekorde mussten damals daran glauben und wurden teils um bis zu 6 Grad pulverisiert, wie zum Beispiel in Bad Goisern (OÖ), wo beim nächtlichen Kyrill-Besuch zu Mitternacht (!) 19,1 Grad gemessen wurden; der alte Jänner-Rekord (aus dem Jahre 1968) lag hier bei gerade mal 13,5 Grad.
Lange einzigartig
Atlantisch geprägte Winter kommen immer wieder vor, zuletzt 2021/22 (siehe: Eine atlantische Posse), dass dem Atlantik aber so gar nicht die Luft ausgehen will, ist wohl ein Alleinstellungsmerkmal des Winters 2006/07 – der sich damals (mit gehörigem Vorsprung) Platz 1 der wärmsten Winter Österreichs seit Messbegin 1768 sicherte und diesen in Folge auch zu verteidigen wusste. So warm seine Nachfolger auch waren, es gab zwischendurch immer wieder Atlantik-Pausen, in denen die Winter – mal mehr, mal weniger – auf sich aufmerksam machen konnten. Selbst der heurige hatte diese Abschnitte, paradoxerweise ist er in diesen sogar zu einer mittlerweile selten gewordenen Höchstform aufgelaufen – wie zum Teufel konnte der Winter 2023/24 also an den bisherigen Platzhirschen aufschließen? Nun, schauen wir uns der Reihe nach die herausragenden Ereignisse des heurigen Winters an und beginnen mit seinem Start, der vielversprechender nicht hätte sein können.
Wir sagen euch an, einen schneereichen Advent
Es war wohl einer der größten Überraschungen im gesamten Klimajahr 2023: Vom wärmsten Herbst der Messgeschichte kommend, stellte sich das Wetter pünktlich zum klimatologischen Winterbeginn um, brachte Kälte und in vielen Landesteilen die größten Neuschneemengen wie schon lange nicht mehr. Am 1. Adventsonntag waren rund 95 % des Landes schneebedeckt! Überdurchschnittlich viel Schnee kam dabei gerade auch im Flachland zusammen: In Wien (Hohe Warte, W) beispielsweise oder auch in St. Pölten (NÖ) wurde am 03. d. M. mit 21 cm bzw. 16 cm die jeweils dickste Schneedecke seit dem Februar 2013 gemessen! Und der Schnee war tatsächlich gekommen, um zu beiben: Die Bundeshauptstadt war 11 Tage am Stück weiß – mehr Schneedeckentage (Tage mit min. 1 cm Schneehöhe) in einem Dezember gab es hier zuletzt 2010, in Linz (OÖ) mit 10 Tagen zuletzt im Dezember 2012 und in Innsbruck (T) ebenfalls mit 10 Tagen 2017. Bravo!
Ort | Bundesland | Schneedeckentage |
Mittel 1991-2020 | Mehr Tage zuletzt (Dezember) |
Wien – Hohe Warte | W | 11 | 6,2 | 2010 (22 Tage) |
Innsbruck – Universität | T | 10 | 11,2 | 2017 (12 Tage) |
Linz | OÖ | 10 | 7,2 | 2012 (15 Tage) |
Salzburg – Freisaal | S | 10 | 11,5 | 2022 (13 Tage) |
Klagenfurt | K | 8 | 11,3 | 2021 (31 Tage) |
St. Pölten | NÖ | 8 | 7,7 | 2010 (22 Tage) |
Bregenz | V | 7 | 7,5 | 2022 (9 Tage) |
Eisenstadt | B | 6 | 6,1 | 2012 (10 Tage) |
Graz – Universität | ST | XX | 7,5 | 2021 (8 Tage) |
Des Atlantiks Parade-Opfer
So erfreulich dieser Winterstart auch war, Hoffnungen auf ein weißes Weihnachtsfest blieben ein Mal mehr vergebens. Just die Zeit um Weihnachten ist geradezu prädestiniert für atlantische Interventionen, derer schon so manches vorweihnachtliche Winterkleid zum Opfer gefallen ist – das berühmt-berüchtigte Weihnachtstauwetter hat immer schon mit einer gewissen Regelmäßigkeit zugeschlagen. In Kombi mit dem Klimawandel aber verkommt der weiße Traum vieler zusehends zur Utopie: In vielen Landeshauptstädten hat es schon über ein Jahrzehnt nicht mehr geklappt, St. Pölten (NÖ) hält gar mit 16 Jahren weihnachtlicher Schnee-Abstinenz den Negativrekord aller Landeshauptstädte (letztes weißes Weihnachtsfest: 2007). Und selbst höhere Lagen sind längst kein Garant mehr für ein Christfest in weiß: Auch in Mariazell (ST, 864 m) beispielsweise feierte man heuer (wie auch schon in vielen Jahren zuvor) in grün – die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten ist hier von 70 % im letzten Jahrhundert auf mittlerweile 20 % zurückgegangen. Süßer der Klimawandel nicht klinge.
Weihnachtstauwetter de luxe
Doch was sich der Atlantik zu Weihnachten 2023 hat einfallen lassen, sucht in der Messgeschichte Österreichs wohl seinesgleichen: Erst tagelang Sturm – an vielen Stationen wurden vom 21. bis 23. d. M. die höchsten je in einem Dezember gemessen Böen (teils in Orkanstärke) gemessen, etwa auf der Buchbergwarte (NÖ, 145 km/h), in Mariazell (ST, 135 km/h) oder Micheldorf (OÖ, 118 km/h). Dann folgte außergewöhnlich starker Dauerregen – an vielen Stationen wurden am 22. oder 23. d. M. die höchsten Dezember-Tagesniederschlagssummen der jeweiligen Messgeschichte verzeichnet, etwa in Puchberg am Schneeberg (NÖ, 67 mm), in Wiener Neustadt (NÖ, 50 mm) oder Bruck an der Mur (ST, 47 mm). Die alten Niederschlags-Rekordmarken waren zum Teil über 50, in Wiener Neustadt gar über 100 Jahre alt! Und dann gabs – quasi als Bescherung – Rekordtemperaturen zu Weihnachten: Erst vielerorts die wärmste Christnacht – an 16 Stationen, und damit an mehr als der dreifachen Menge (!) über alle Jahre zuvor, wurde österreichweit die 10-Grad-Marke nicht unterschritten -, dann die wärmsten Weihnachtsfeiertage vor allem im Osten Österreichs – etwa mit 18,3 Grad in Berndorf (NÖ) am Christtag oder mit 19,0 Grad in Kroisegg (B) zu Stefani. Zum Vergleich: Die bisher höchste weihnachtliche Temperatur in der gesamten Osthälfte Österreichs wurde im Jahr 1983 gemessen mit 17,6 Grad in St. Radegund (ST). Sturmrekorde, außergewöhnlich starker Dauerregen und regional die höchsten Temperaturen seit Messbeginn – mehr Weihnachtstauwetter geht nun wirklich nicht mehr.
Ausgewählte Stationen, die im Dezember 2023 einen Rekord der höchsten Windböe verzeichnet haben:
Ort | Bundesland | Höchste Böe 2023 | Alter Rekord |
Messbeginn |
Kolomansberg | S | 146,2 km/h | 134,6 km/h / 2023 | 2008 |
Buchberg | NÖ | 145,1 km/h | 137,2 km/h / 2018 | 2009 |
Mariazell | ST | 135,4 km/h | 112,7 km/h / 2005 | 2001 |
Micheldorf | OÖ | 118,1 km/h | 91,4 km/h / 2008 | 2008 |
Lunz am See | NÖ | 107,6 km/h | 89,3 km/h / 2005 | 1994 |
Kapfenberg | ST | 105,8 km/h | 70,2 km/h / 2013 | 1997 |
Galtür | T | 92,5 km/h | 86,4 km/h / 2003 | 1996 |
Bergvorteile
Die Tage vor Weihnachten brachten gebietsweise mehr als die 1,5-fache Menge eines durchschnittlichen Monatsniederschlags – kein Wunder, dass der Dezember 2023 in der Gesamtbilanz als der niederschlagsreichste seit dem Jahr 1918 bilanziert. Auch wenn die Niederungen schneemäßig (nach den ersten Dezembertagen) nichts mehr abbekommen haben (weil schlicht zu warm), für unsere Berge war der Dezember dank dieses Niederschlagsüberschusses höchst profitabel: Am Pitztaler Gletscher (T, 2864 m) summierten sich 269 cm Neuschnee – ein Plus von 116 % und die höchste Dezember-Neuschneemenge seit Messbeginn 1989 (alter Rekord: 233 cm / Dez 1991; spannend zu erwähnen an dieser Stelle: Auch der November 2023 brachte am Pitztaler Gletscher mit 291 cm einen Neuschneerekord). Auf der Rudolfshütte in den Tauern (S, 2317 m) beträgt das Neuschnee-Plus 54 % (321 cm – größte Menge seit 1991), am Hohen Sonnblick (S, 3109 m) stolze 50 % (323 cm – größte Menge seit 2011). Diese Schneefreudigkeit ist dem Dezember 2023 – trotz aller Vergehen zu Weihnachten – hoch anzurechnen.
Kalter Hoffnungsschimmer
Nachdem der Jahreswechsel heuer (anders als in den Vorjahren) mal ohne gröbere Auffälligkeiten über die Bühe ging, beruhigte sich der Atlantik langsam und ab der zweiten Jännerwoche war der Weg frei für einen weiteren Vorstoß polarer Luftmassen. Dieser glänzte zwar weniger mit Schnee, dafür aber mit einer Kältewelle und den regional tiefsten Temperaturen seit Jahren – etwa in Wien: Mit Ausnahme der Inneren Stadt gab es an allen Wiener Stationen strengen Frost (≤ -10 Grad) und damit die tiefsten Werte in der Bundeshauptstadt seit dem März 2018. Und wie es sich für eine Kältewelle gehört, sind die Temperaturen auch tagsüber kaum ins Plus gekommen, Eistage (Höchstwert < 0 Grad) standen an der Tagesordnung, am 09. Jänner blieben gar 8 von 9 Landeshauptstädte im Dauerfrost stecken. Der Winter könnte ja, wenn er will, und vor allem: Wenn man ihn auch ließe.
He is back
Doch sollte dieser winterliche Abschnitt der letzte bleiben; in der zweiten Jännerhälfte riss der Atlantik das Szepter neuerlich an sich und blies zum Generalangriff, um selbst das kleinste Wintergefühl aus Österreich zu verbannen. Zu Beginn wusste sich der Winter gegen diese atlantische Übermacht noch zu verteidigen, wie exemplarisch schön das Beispiel Mittelberg (V) zeigt: Zum Ende der jännerlichen Kältewelle ging es im Vorarlberger Kleinwalsertal quasi im 24-Stunden-Rhythmus von zweistelligen Minusgraden ins zweistellige Plus und schnurstracks wieder zurück. In nur 4 Tagen entspricht das einer Temperaturdifferenz von 50 Grad – einzigartig in der Mittelberger Messgeschichte (größter Temperaturgang in 96 Stunden seit Messbeginn 1994). Doch so sehr sich der Winter auch wehrte, schlussendlich obsiegte der Atlantik – nicht nur in Mittelberg, im ganzen Land: Vom 21. Jänner weg – de facto den gesamten folgenden Hochwinter und damit die klimatologisch kälteste Zeit des Jahres hindurch – brachte ein jeder (!) der verbleibenden 40 Wintertage zweistellige Temperaturen in Österreich, und nicht selten purzelten dabei die Wärme-Rekorde …
Rekorde noch und nöcher
Wie zum Beispiel am 24. Jänner 2024: Monatsrekorde an vielen Stationen Tirols – etwa in Imst mit 17,9 Grad (alt: 17,0 Grad / 2015), Prutz mit 15,1 Grad (alt: 13,5 Grad / 1993) und Nauders mit 13,6 Grad (alt: 12,4 Grad / 2002). Oder am 05. Februar 2024: Dekadenrekorde (für das erste Februardrittel) in der Steiermark und im Südburgenland mit 21,3 Grad am Grazer Flughafen (alt: 17,6 Grad / 2004), 21,2 Grad in Deutschlandsberg (alt: 19,2 Grad / 2004) und 20,9 Grad in Güssing (alt: 18,7 Grad / 2016). Am 16. Februar 2024 eroberte die Rekordwärme unsere Berge: Zum Beispiel bei der Rudolfshütte (S) auf knapp 2300 Meter Seehöhe in den Tauern mit 9,7 Grad (Februar-Rekord, alt: 9,1 Grad / 2021) oder auf der Schmittenhöhe bei Zell am See (S) auf rund 2000 Meter Seehöhe mit 12,9 Grad (Februar-Rekord, alt: 12,8 Grad / 1950).
Eine Auswahl jener Tiroler Stationen, die am 24. Jänner 2024 einen Monatsrekord verzeichnet haben:
Ort | Bundesland | Höchstwert 2023 | Alter Rekord |
Messbeginn |
Imst | T | 17,9 Grad | 17,0 Grad / 2015 | 1936 |
Landeck | T | 16,6 Grad | 16,3 Grad / 1993 | 1946 |
Prutz | T | 15,1 Grad | 13,5 Grad / 1993 | 1967 |
St. Jakob i. D. | T | 14,0 Grad | 13,7 Grad / 2007 | 1938tz |
Nauders | T | 13,6 Grad | 12,4 Grad / 2022 | 1958 |
Alpbach | T | 12,8 Grad | 12,7 Grad / 2023 | 2007 |
Schmirn | T | 12,6 Grad | 12,6 Grad / 2015 | 2004 |
Brenner | T | 11,0 Grad | 10,0 Grad / 1953 | 1948 |
Winternachtsalpträume
Auch die Nächte blieben von diesem Wärme-Irrsinn nicht verschont, jene auf den 05.02. war beispielsweise in der halben Steiermark die mit Abstand wärmste Winternacht überhaupt – etwa in Kapfenberg, das mit einem Minimum von 12,0 Grad seinen alten Rekord (vom Februar 1998) um satte 5 Grad (!) überboten hat. In der Folgenacht am 06.02. wurde in Reichenau an der Rax (NÖ) ein Tiefstwert von lediglich 13,7 Grad gemessen (alter Rekord: 12,6 Grad / Dez 2014) – selbst viele Hochsommernächte sind hier kühler, das durchschnittliche Juli-Minimum kommt auf lediglich 13,2 Grad. Am 11.02. folgte schließlich der Überhammer: Ausnahmslos alle Stationen unterhalb einer Seehöhe von 1400 Meter Seehöhe blieben im Plus – nie zuvor hat es derartiges gegeben, die erste (quasi) frostfreie Winternacht in Österreich.
Eine Auswahl an Stationen, die im Februar 2024 die wärmste Winternacht ihrer Messgeschichte (höchstes Minimum) verzeichnet haben:
Ort | Bundesland | höchstes Min. 2024 | Alter (Winter-)Rekord |
Messbeginn |
Reichenau an der Rax | NÖ | 13,7 Grad | 12,6 Grad / Dez 2014 | 1895 |
Kapfenberg | ST | 12,0 Grad | 7,0 Grad / Feb 1998 | 1997 |
Leoben | ST | 10,3 Grad | 6,0 Grad / Feb 2020 | 2012 |
Rottenmann | ST | 9,4 Grad | 8,8 Grad / Dez 2019 | 2009 |
Kalwang | ST | 9,0 Grad | 7,0 Grad / Dez 1985 | 1966 |
Beschämende Frostlosigkeit
Während man Dezember und Jänner ja noch zugutehalten kann, dass sie es punkto Winter zumindest probiert haben – die jeweiligen kalten Abschnitte wirken sich freilich auf die Monatsbilanz aus -, war der Februar schlicht eine winterliche Bankrotterklärung: An gezählten 21 (von heuer 29 – Schaltjahr) Februartagen gab es mehr als 15 Grad in Österreich – das haben selbst die bisher wärmsten Februare nicht hinbekommen (alter Rekord: 19 Tage, Feb 1998). An insgesamt 9 Stationen blieb der gesamte Februar hindurch frostlos, wie zum Beispiel auf der Hohen Warte in Wien (Messbeginn 1872), in Bregenz (Messbeginn 1936) oder auch auf der Hohen Wand im südlichen Niederösterreich (Messbeginn 1991) auf rund 940 Meter Seehöhe (!) – der erste frostlose Wintermonat der jeweiligen Messgeschichte (auf der Hohen Wand gabs noch nicht mal einen frostfreien März!).
Und selbst jene Stationen, die zumindest anstandshalber Minusgrade zusammenbekommen haben, sind nie zuvor derart frostzahm durch einen Wintermonat gekommen – egal ob im Waldviertel (z.B. Zwettl), im Mühlviertel (z.B. Reichenau im Mühlkreis), im Mostviertel (z.B. Lunz am See) in der Obersteiermark (z.B. Mariazell), im oberösterreichischen Zentralraum (z.B. Kremsmünster), im Salzburger Pinzgau (z.B. Krimml) und Pongau (z.B. Bischofshofen), im Tiroler Zillertal (z.B. Mayrhofen), im Vorarlberger Kleinwalsertal (z.B. Mittelberg) oder in den Kärntner Karawanken (z.B. Loiblpass): rund die Hälfte aller Stationen in Österreich verzeichnet einen Negativrekord punkto Frost! Die Grundeigenschaft eines jeden Wintermonats – Kälte – ist dem Februar 2024 vollends abhandengekommen.
Die Anzahl der Frosttage im Februar 2024 – mit Ausnahme von Klagenfurt und St. Pölten der frostärmste Wintermonat der jeweiligen Messgeschichte:
Ort | Bundesland | Frosttage 2024 |
Mittel 1991-2020 | Rekord Winter |
Klagenfurt | K | 16 Tage | 25,6 | 12 / Feb 2014 |
Graz – Universität | ST | 5 Tage | 18,5 | alt: 7 / Feb 2016 |
Innsbruck – Universiät | T | 4 Tage | 20,4 | alt: 7 / Feb 1974 |
St. Pölten | NÖ | 4 Tage | 16,7 | 2 / Feb 1966 |
Linz | OÖ | 2 Tage | 15,6 | alt: 2 / Feb 1966 |
Eisenstadt | B | 1 Tag | 17,6 | alt: 3 / Feb 1966 |
Salzburg – Freisaal | S | 1 Tag | 18,3 | alt: 6 / Feb 2020 |
Bregenz | V | 0 Tage | 15,7 | alt: 2 / Feb 1995 |
Wien – Hohe Warte | W | 0 Tage | 14,7 | alt: 2 / Feb 1966 |
Februarischer Usurpator
Der Februar bilanziert damit nicht nur als der absolut wärmste Wintermonat, den Österreich je erlebt hat, sondern auch als einer der (in Relation) extremsten Monate in der langen Messgeschichte unseres Landes (insgesamt 3083 Monate): Die Abweichung (zum eh schon warmen Vergleichszeitraum 1991-2020) beträgt unvorstellbare 5,4 Grad – kein anderer Monat hat eine höhere Anomalie vorzuweisen, weder jene des Winters 2006/07 (Kyrill-Jänner 2007 zum Beispiel kommt auf +4,0 Grad), noch irgendein Sommermonat (der bisher extremste mit einer Abweichung von “nur” 3,8 Grad war wohl der Juni 2019, in dem rund die Hälfte aller Wetterstationen in Österreich neue Hitzerekorde gemessen haben mit Höchstwerten bis an die 39 Grad). Der Februar 2024 ist damit in vielerlei Hinsicht eine Zäsur in Österreichs Klimageschichte und dermaßen außergewöhnlich, dass er praktisch im Alleingang den gesamten Winter an die Spitze der wärmsten – Seite an Seite mit dem Winter 2006/07 – hievt:
Schneedramen unten …
Angesichts dieses – in der zweiten Winterhälfte durchgehenden – Wärme-Irrsinns darf es nicht weiter verwundern, wenn die Schneebilanz in vielen Landesteilen stark negativ ausfällt. So erfreulich schneereich wir auch in diesen Winter gestartet sind, viele Schneedecken des Landes – nicht nur im Flachland, im gesamten Bergland (unterhalb von rund 1800 Meter Seehöhe) – haben nicht mal den Jänner überlebt und flossen förmlich davon – wie exemplarisch schön das Beispiel Mariazell (ST) zeigt, das in nur nur wenigen Stunden komplett ausgeapert ist. Die Schneeschmelze war dermaßen ausgeprägt, dass bereits Ende Jänner in den österreichischen Alpen die für die Jahreszeit geringste Schneebedeckung der letzten (mindestens) 30 Jahre beobachtet wurde – obwohl der Dezember viel Schnee brachte. Und vor allem: Obwohl Niederschläge auch danach reichlich zur Verfügung standen. Der Winter 2023/24 bilanziert nämlich unterm Strich als einer der niederschlagsreichsten der letzten 75 Jahre.
… gut bestückt oben
Darin unterscheidet sich der Winter auch vom bisher wärmsten 2006/07; dieser war in vielen Regionen relativ trocken, die Schneearmut damals war also eine Kombi zwischen hohen Temperaturen und wenig Niederschlag. Im heurigen sind ausnahmslos die hohen Temperaturen verantwortlich; nach einem schneereichen Dezember haben Jänner und Februar – trotz ausreichender Niederschläge – kaum bis gar keinen Schnee mehr nachgeliefert, das Minus ist dementsprechend gewaltig: In den meisten Landeshauptstädten konnte sich nur etwa die Hälfte der sonst üblichen Neuschneemengen summieren (in Klagenfurt und Graz beträgt das Minus gar mehr als 70 %), auch in vielen Wintersportorten beträgt das Minus immer noch zwischen 20 und 50 %, abhängig von der Seehöhe (je tiefer, umso größer: in Bischofshofen (S) auf rund 600 Meter z.B. -40 %, in St. Anton (T) auf 1300 Meter -27 %). Erst ab einer Seehöhe von rund 1800 Meter wandelt sich das Bild, Obergurgl – Österreichs höchster, dauerhaft bewohnter Ort in den Ötztaler Alpen (T) auf rund 1900 Meter Seehöhe – kommt auf ein sattes Neuschneeplus von 41 %, der Pitztaler Gletscher (T) nebenan gar auf stolze 78 %. Daraus jedoch zu schließen, die Winterwelt im Hochgebirge sei in Ordnung, wäre ein Fehler; auch im Hochgbirge war der Winter außergewöhnlich warm – in Relation versteht sich. “Warm” bedeutet ab einer gewissen Seehöhe auch im Winter eine Temperatur unter Null Grad – bei viel Niederschlag, gibts viel Schnee. Eigentlich logisch.
Die Neuschneemenge der Landeshauptstädte vom Winter 2023/24 im Vergleich zum langjährigen Mittel:
Ort | Bundesland | Neuschneemenge | Mittel 1991-2020 | Abweichung |
Salzburg – Freisaal | S | 38 cm | 89 cm | -57 % |
Innsbruck – Universität | T | 35 cm | 67 cm | -48 % |
Linz | OÖ | XX cm | 46 cm | XX % |
Wien – Hohe Warte | W | 30 cm | 40 cm | -25 % |
Bregenz | V | 28 cm | 61 cm | -54 % |
St. Pölten | NÖ | 21 cm | 37 cm | -43 % |
Klagenfurt | K | 13 cm | 48 cm | -73 % |
Eisenstadt | B | 12 cm | 31 cm | -61 % |
Graz – Universität | ST | 9 cm | 35 cm | -74 % |
Eindringliche Schlussworte
Hat der Atlantik erst seine Finger im Spiel, ist beim Winter so gut wie immer Hopfen und Malz verloren (freilich abhängig davon, wie lange er das Kommando innehat) – mit ein Grund, warum auch in der Vergangenheit nicht immer ein jeder kalt sein konnte. Kaum jemand weiß zum Beispiel, dass ein Winter aus dem 18. Jahrhundert (1795/96) rund 200 Jahre lang unangefochten an der Spitze der wärmsten Österreichs stand, oder dass bereits in den 1910er Jahren besonders milde Winter häufig waren. Dass aber ein Wintermonat sämltliche Wintereigenschaften ablegt, ist beispiellos – und sollte eindringliche Warnung an uns alle sein: Nicht auszumalen, wie unsere Winter aussehen würden, wenn künftige Dezember und Jänner beschließen, dem heurigen Februar mit seiner nie dagewesenen Abweichung von 5,4 Grad nacheifern zu wollen. Oder gar ein Sommermonat auf die Idee kommt, diesem Beispiel zu folgen – Österreich stünde vor einer Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Ein Szenario, das nach diesem Februar so unwahrscheinlich gar nicht mehr scheint.
PS: Mein obliagatorischer Dank geht wieder an alle jene Menschen, die mich stets tatkräftig unterstützen, den Mut haben, mir auch zu sagen, wenn meine Gedanken mal Mist sind und vor allem: nie aufhören, an mich zu glauben :)
PPS: Ich bitte alle Kollegen, meine Inhalte nicht einfach zu kopieren. Ich stecke viel Arbeit in diese Bilanzen, es ist schlicht unfair, dann nicht mal Erwähnung zu finden. Vielen Dank!
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Lieber Herr Kelemen! Ich habe Sie letztens bei Ihrem Vortrag gesehen und war schlichtweg begeistert. Bitte machen Sie weiter so!! Liebe Grüße!