Sommer 2023: Heiß & unwetterreich
Nicht genutzte Chance
Der heurige Sommer hätte Potential gehabt, sich mal nicht unter die wärmsten zu reihen: Erstaunlich lang blieb die Hitze fern, der August hat gar einen Kaltstart hingelegt. Doch am Ende landet auch dieser Sommer unter die wärmsten der österreichischen Messgeschichte – so ungewohnt der hitzefreie Beginn und die unterkühlten Tage inmitten des Hochsommers auch waren, die Hitzewellen dazwischen performten allesamt auf Rekordnievau. Und mündeten in Unwettern beispielloser Heftigkeit. Eine Bilanz.
Top oder Traum?
Ende August 2023 – Österreich steckt in der dritten Hitzewelle des Sommers. So spät im Jahr sind Hitzeperioden zwar nicht ungesehen, aber selten – der Sommer neigt sich schließlich seinem Ende, die Tage werden rapide kürzer. Doch das heurige Sommerfinale hatte es in sich – sowohl punkto Intensität als auch Dauer war diese Hitzewelle extrem. Die medialen Freudenfanfaren erschallten dennoch – selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: An einem der heißesten Tage des gesamten Sommers war man sich in der Morgenshow des reichweitenstärksten Radiosenders des Landes allen Ernstes unschlüssig, ob selbiger als „Top-Tagal“ oder doch mehr als „Traum-Tagal“ durchgeht. Hinweis auf die Gefahren? Fehlanzeige. Auf die Außergewöhnlichkeit des Ereignisses? Nope. Auf die anstehenden Unwetter? Kein Wort. Top oder Traum – am Ende eines Sommers, gezeichnet von Temperaturrekorden und Unwettern. Wann bitte hat Hitze eine derart euphemistische Wandlung durchlaufen?
Lange hitzefrei …
Doch alles der Reihe nach, Hitze war nämlich heuer lange Zeit überhaupt kein Thema: Nach einem komplett hitzefreien Frühling blieb auch der Juni in den ersten knapp 3 Wochen eher gemäßigt; erst am 18. Juni wurde erstmals in Österreich die 30-Grad-Marke geknackt – einen Monat später als im langjährigen Mittel (normal gibt’s die ersten 30er im späten Frühling, so um den 19. Mai herum). Dass die erste Hitze derart spät aufkommt, ist selten; noch später dran als heuer war sie zuletzt 1990. Und selbst davor findet man nur eine Handvoll Jahre, in denen sie sich noch länger Zeit gelassen hat – insofern also war der Start in den Sommer 2023, selbst im Vergleich mit dem kühleren 20. Jahrhundert, eine bemerkenswert angenehme Abwechslung.
… und dennoch sommerlich
Viele Medien sahen das freilich anders: Keine 30 Grad im Sommer? Skandal! Doch war die Sorge, der Sommer käme nicht so recht in Fahrt, zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt; die Temperaturen lagen von Beginn an durchwegs an der 25-Grad-Marke – per Definition die Schwelle für einen Sommertag. In Vorarlberg beispielsweise wurde diese Marke gleich an 27 (z.B. Feldkirch und Dornbirn) bzw. 28 Tagen (Bregenz) erreicht oder überschritten – zweieinhalb Mal so oft wie in einem gewöhnlichen Juni! Nur 2003 brachte dem Vorarlberger Rheintal noch mehr Junisommer, damals waren es 29 Tage. Auch Innsbruck (T) und Salzburg (S) waren mit ihrer Ausbeute an Juni-Sommertagen weit über dem Klimamittel, alle anderen Landeshauptstädte zumindest an ihrem Soll dran. Wir sehen: Sommer ginge an sich auch ohne Hitze!
Ort | 2023 | Mittel |
Rekord |
Bregenz | 28 | 10,8 | 29 / 2003 |
Innsbruck – Universität | 24 | 15,6 | 29 / 2003 |
Salzburg – Freisaal | 17 | 13,2 | 27 / 2003 |
Eisenstadt | 15 | 15,5 | 28 / 2019 |
Graz – Flughafen | 14 | 16,3 | 30 / 2003 |
Klagenfurt | 14 | 16,0 | 28 / 2019 |
Linz | 14 | 14,1 | 28 / 2019 |
St. Pölten | 13 | 14,9 | 28 / 2019 |
Wien – Hohe Warte | 13 | 15,8 | 27 / 2019 |
Aufgeschoben, nicht aufgehoben
Schlussendlich musste sich aber auch der Juni 2023 dem klimawandelbedingten Trend des Immer-heißer-Werdens beugen: Am 22. d. M. – also bloß 4 Tage nach erstmaligem Erreichen der 30-Grad-Marke – wurden in Oberösterreich, Salzburg und Tirol mehr als 35 Grad gemessen (Spitzenwert: 36,2 Grad in Bad Goisern, OÖ). Derart hohe Temperaturen waren einst selten im Juni: Im 20. Jahrhundert etwa sind 35 Grad und mehr alle 10 Jahre mal vorgekommen – und das meist nur an einzelnen Stationen an einem einzigen Tag. Ein Juni des 21. Jahrhunderts hingegen knackt die 35-Grad-Marke mittlerweile problemlos jährlich, oft sogar an vielen Stationen und nicht selten auch an mehreren Tagen in Folge. Was es allerdings noch nie gab – nicht im Juni, nicht im Juli und auch nicht im August: 35 Grad inmitten der Nacht.
Unvorstellbares wird real
Was wie ein ganz übler Scherz klingt, und im Vorfeld wohl niemand je ernsthaft für möglich gehalten hätte, ist in der Nacht auf den 23. Juli 2023 alarmierende Realität geworden: Um 23:30 MESZ wurden in Oberndorf an der Melk im niederösterreichischen Mostviertel unglaubliche 36,1 Grad gemessen. SECHSUNDREISSIG KOMMA EIN GRAD. KURZ VOR MITTERNACHT! Da bleibt einem aus zweierlei Gründen die Spucke weg: 1. Hat Oberndorf damit IN DER NACHT einen Juni-Hitzerekord aufgestellt (alter Rekord: 35,8 Grad, 2013) und 2. war das mit Abstand die höchste Temperatur, die jemals in einer Nacht – egal zu welcher Uhrzeit, egal in welchem Monat, egal an welcher Station – in Österreich gemessen wurde! Nicht einmal in der im Hochsommer sonst glühenden Wiener Innenstadt findet man was extremeres, der nächtliche Rekord in der Bundeshauptstadt liegt bei 34,5 Grad, gemessen in einer Julinacht 2007 – anders als in Oberndorf allerdings um 21 Uhr, quasi kurz nach Sonnenuntergang (bis Mitternacht ging die Temperatur dann auf rund 28 Grad zurück).
Heat … was?
Doch wie lässt sich dieser hohe Wert erklären? Nächtliche Temperaturrekorde sind an sich Phänomene, die im Winterhalbjahr durchaus auftreten können, im Sommer allerdings bislang beispiellos waren. Der Grund: Im Winter wird die Temperatur maßgeblich von der Luftmasse selbst bestimmt, im Sommer hingegen kommt als zusätzlicher Trigger die Sonne hinzu. Scheint diese nicht – wie eben nächtens – wird’s mit Hitze schwierig; selbst eine außergewöhnlich warme Luftmasse induziert keine 36 Grad. Daher muss es einen anderen Auslöser gegeben haben – eine Erklärung, die derzeit am plausibelsten klingt: ein sogenannter heat burst war verantwortlich. Dieses Phänomen ist sehr selten und damit auch wenig erforscht; es gibt kaum dokumentierte Fälle in Europa. Bei einem solchen heat burst fällt im Vorfeld aus einem schwächelnden (sterbenden) Gewitter Niederschlag in eine Schicht sehr trockener Luft; dieser Niederschlag aber erreicht nie den Boden, da er vorher verdunstet. Das wiederum kühlt die Luftschicht, in der er fällt (Verdunstung braucht Energie = Verdunstungskühlung), die nun physikalisch schwerer als die umgebende wärmere wird – Folge: sie ist zum Absinken gezwungen, beschleunigt und erwärmt sich (Stichwort: trocken-adiabatische Erwärmung), um am Boden als heiße Fallböe anzukommen. Wer an dieser Stelle nur Bahnhof verstanden hat: Es ist vergleichbar mit einem engbegrenzten Föhneffekt, ausgelöst durch ein sterbendes Gewitter. Furchtbar kompliziert, am Ende aber bleibt: Man ist selbst in Nächten vor Hitzerekorde nicht mehr sicher; Oberndorf hat Österreichs Klimageschichte ein neues Kapitel hinzugefügt.
Pudel di net auf!
Der Juni 2023 mag lange gemäßigt gewesen sein, am Ende aber wurde er extrem und reiht sich somit auf Platz 9 der wärmsten der österreichischen Messgeschichte. Einmal mehr hat sich gezeigt: Die Zeiten des harmlosen Frühsommermonats von anno dazumal sind längst passé, er steht seinen Hochsommer-Kollegen um kaum noch was nach. Wenn sich aber der eigentliche Frühsommer- zum Hochsommermonat aufpudelt, muss es für die bisherigen Vertreter des Hochsommers ebenfalls eine Steigerung geben. Klimawandelbedingte Ehrensache.
Früher, länger, dicker
Vom Ablauf her waren Juni und Juli heuer recht ähnlich, mit einem wesentlichen Unterschied: des Julis Hitzewelle hat früher begonnen, länger angedauert und auch höhere Temperaturen gebracht. Mit bis zu 18 Tagen Dauer fiel die julianische Hitzewelle sogar ungewöhnlich lange aus; eine herkömmliche schafft es je nach Landeshauptstadt auf 7 bis 10 Tage. Die Temperaturspitzen waren die höchsten des gesamten Sommers und lagen jenseits der 37 Grad – gemessen in Niederösterreich (Bad Vöslau mit 37,2 Grad am 10. d. M.), Tirol (Innsbruck mit 37,3 Grad am 11.) und Vorarlberg (Bludenz mit 37,7 Grad, ebenfalls am 11. d. M.). Während man im Osten ob solcher Extremtemperaturen mittlerweile ein Lied singen kann (die Wiederkehrzeit im Hochsommer hat sich speziell im östlichen Flachland von etwa alle 10 auf alle 2 Jahre im Mittel erhöht, seit dem Jahr 2017 fällt die 37-Grad-Marke sogar jährlich), sind Werte dieser Tonart in Westösterreich sehr selten, teils unüblich. Im gesamten Bundesland Vorarlberg etwa wurden zuvor (alle Stationen, alle Monate) nur in den Jahren 2013 und 1984 mehr als 37 Grad gemessen, in Bludenz allerdings noch nie (alter Rekord 36,4 Grad, Juli 2003).
Info: Dauer von Hitzewellen nach der Kysely-Methode. Eine solche ist definiert als Serie von mindestens 3 aufeinander folgenden Tagen von mindestens 30 Grad und hält an, bis entweder die Maximaltemperatur erstmals unter 25 Grad oder aber die mittlere Maximaltemperatur über den gesamten Zeitraum unter 30 Grad fällt.
Ort | 2023 | Mittel |
Rekord |
Wien – Hohe Warte | 18 Tage | 8,4 Tage | 32 Tage / 2018 |
Eisenstadt | 18 Tage | 8,8 Tage | 29 Tage /2018 & 2003 |
Linz | 17 Tage | 8,4 Tage | 28 Tage / 2018 & 1971 |
Innsbruck – Universität | 13 Tage * | 7,6 Tage | 28 Tage / 2013 |
St. Pölten | 13 Tage | 8,6 Tage | 29 Tage / 2018 & 2003 |
Bregenz | 12 Tage | 6,7 Tage | 16 Tage / 2018 |
Graz – Universität | 12 Tage | 8,4 Tage | 28 Tage / 2018 |
Klagenfurt | 10 Tage | 9,6 Tage | 29 Tage / 2018 |
Salzburg – Flughafen | 5 Tage | 7,3 Tage | 21 Tage / 1994 |
* mit einem Tag Unterbrechung
Stille Rekorde
Schauplatzwechsel auf den Hohen Sonnblick in den Salzburger Tauern auf über 3100 Meter Seehöhe – hier oben thront mit einem der weltweit wichtigsten Gebirgsobservatorien der Stolz der österreichischen Meteorologie: seit 1886 wird hier durchgehend (mit nur 3 Tagen Unterbrechung am Ende des Ersten Weltkrieges) die Temperatur aufgezeichnet, also seit rund 53.200 Tagen. Und bereits im Juni wurde mit 15,1 Grad die zweithöchste je gemessene Temperatur verzeichnet (am 21. d. M., Rekord: 15,3 Grad im Juni 2012), rund 3 Wochen später am Abend des 11. Juli sogar die wärmste mit 15,7 Grad! Noch nie war es auf dieser Höhenlage wärmer, die Schneedecke schmolz im Eiltempo; bereits am 30. Juli war der Sonnblick offiziell schneelos – nur ein einziges Mal in der langen Messgeschichte war es hier oben noch früher aper, nämlich im letzten Jahr (06. Juli 2022); zuvor datierte die früheste Ausaperung auf einen 13. August (2003 & 1963). Den meisten Medien war das nicht mal eine Randnotiz wert.
Der Hitze dritter Akt
Am Ende reiht sich der Juli – wie auch schon sein neuer Hochsommerkumpel Juni zuvor – auf Platz 9 der wärmsten der Messgeschichte, bevor der dritte im Bunde dann überhaupt die wohl perfideste Karte zückte, die im Sommerstapel überhaupt zu finden ist: einer Hitzewelle im Spätsommer. Ganz nach dem Motto “Jetzt is eh scho wurscht” wurde der August immer heißer, in einer Zeit, in der die Temperaturen an sich zurückgehen sollten – und hatte so recht leichtes Spiel, mit Rekorden nur so um sich zu schmeißen. Ein paar Beispiele? Bitte sehr: Auf unseren Bergen – bereits gezeichnet von den Vormonaten – war es am 24. August so spät im Jahr noch nie so warm wie heuer (einmal mehr am Hohen Sonnblick (S) mit 14,9 Grad), auf Höhenlagen um 1000 Meter gabs am selben Tag die höchsten Augusttemperaturen der jeweiligen Messgeschichte (wie etwa in den Wintersportorten Seefeld (T) mit 31,8 Grad oder Warth (V) mit 29,3 Grad), vereinzelt gar die höchste je gemessene Temperatur überhaupt (wie in Mittelberg (V) mit 32,1 Grad). Ach ja, und auf 2000 Meter brachte diese Hitzewelle gleich 3 Sommertage, wie in Obergurgl, Österreichs höchstem dauerhaft bewohntem Ort im hinteren Tiroler Ötztal (Augustrekord, alt: 2 Sommertage, zuletzt 2017). Sommerfrische auf den Bergen? Ein Auslaufmodell.
Info: Auswahl an Stationen (allesamt im Bergland) mit Rekorden im Zuge der August-Hitzewelle.
Ort | Bundesland | Seehöhe |
24.08.2023 | Rekord |
Ehrwald | T | 982 m | 33,8 Grad | Augustrekord eingestellt |
Mittelberg | V | 1204 m | 32,1 Grad | Absolutrekord |
Seefeld | T | 1182 m | 31,8 Grad | Augustrekord |
Sulzberg | V | 1016 m | 31,3 Grad | Augustrekord |
Lech am Arlberg | V | 1442 m | 29,5 Grad | Augustrekord |
Warth | V | 1478 m | 29,3 Grad | Augustrekord |
Hintertux im Zillertal | T | 1505 m | 28,8 Grd | Augustrekord |
Ischgl | T | 2327 m | 23,1 Grad | Augustrekord |
Rudolfshütte | S | 2317 m | 21,7 Grad | Augustrekord |
Sonnblick | S | 3109 m | 14,9 Grad | Rekord 2. Augusthälfte |
Brunnenkogel | T | 3437 m | 14,1 Grad | Augustrekord |
Längst nicht alles
Auch in den Niederungen war diese augustianische Hitze kein Zuckerschlecken: An gleich mehreren Tagen wurde die 35-Grad-Marke überboten (Spitzenwert: 36,7 Grad in der Wiener Innenstadt am 22. d. M.), in Innsbruck (T) an 15 Tagen in Folge der 30er geknackt – die längste Serie an heißen Tagen, in der Tiroler Landeshauptstadt (Messbeginn 1877, alter Rekord: 14 Tage, 2018 & 2013). In der Bundeshauptstadt wurde Schlafen zur Tortur mit 10 Tropennächten (und damit keiner Abkühlung mehr unter 20 Grad) in Folge in der Wiener Innenstadt (beispiellos in der 2. Augusthälfte, Messbeginn 1985), in der Nacht auf den 23. haben überhaupt gleich 7 von 9 Landeshauptstädte (Ausnahme nur Salzburg und Klagenfurt) eine solch tropische Kostprobe erhalten – was im Hochsommer schon bemerkenswert wäre, ist im Spätsommer zuvor noch nie aufgetreten. Die zweite Augusthälfte – für den österreichischen Rundfunk ein Sommertraum – zählt so ziemlich zu den extremsten, die Österreich je erlebt hat und hievt den dritten Sommermonat auf Platz 14 der österreichischen Hit(ze)-Parade. Dass er sich nicht weiter vorn platzieren konnte, ist dem Hineingretschen des einzig kühlen Wetterabschnitts des gesamten Sommers geschuldet: Einer regelrechten Kältewelle inmitten der Hundstage.
Berechtigter Unmut
Damit gleich eins klar gestellt ist: Regelmäßige Kaltlufteinbrüche gehören zu einem guten Sommer an sich dazu, sind also bei Gott nichts Ungewöhnliches. Wenn ein solcher aber just in die klimatologisch heißeste Zeit des Jahres (gemeinhin bekannt als Hundstage) fällt, dann erzeugt das freilich Unmut: In der ersten Augustwoche haben es die Temperaturen selbst in den Landeshauptstädten kaum mehr über 20 Grad geschafft – in Wien etwa war es Anfang August zuletzt 1996 derart kühl, in Klagenfurt 2006, in Linz 2010. Selbst im Vergleich mit einem Sommer des 20. Jahrhunderts ist die erste Augustdekade heuer ungewöhnlich kalt verlaufen – war also klimatologisch auffällig, im österreichweiten Mittel gar die kälteste seit 2006.
Info: Kühle Augusttage in der ersten Dekade sind selten und treten nur alle paar Jahre mal auf.
Ort | Höchstwert | Datum |
Kälter zuletzt (1. Augustdekade) |
Eisenstadt | 18,5 Grad | 07. August 2023 | 18,2 Grad / 05.08.2020 |
Innsbruck – Universität | 17,1 Grad | 05. August 2023 | 16,4 Grad / 04.08.2021 |
Wien – Hohe Warte | 16,9 Grad | 07. August 2023 | 16,8 Grad / 04.08.1996 |
Klagenfurt | 16,6 Grad | 05. August 2023 | 11,6 Grad / 04.08.2006 |
St. Pölten | 16,4 Grad | 07. August 2023 | 15,3 Grad / 05.08.2020 |
Bregenz * | 16,2 Grad | 07. August 2023 | 14,8 Grad / 10.08.2016 |
Linz | 16,1 Grad | 07. August 2023 | 15,4 Grad / 07.08.2010 |
Salzburg – Freisaal | 15,4 Grad | 07. August 2023 | 15,3 Grad / 10.08.2016 |
Graz – Flughafen | 15,2 Grad | 05. August 2023 | 12,8 Grad / 10.08.2016 |
*Bregenz hat dann Ende des Monats einen noch kälteren Tag erlebt mit einem Höchstwert von 12,8 Grad (29. August 2023) – der kälteste Augusttag in der Vorarlberger Landeshauptstadt seit 28 Jahren (12,0 Grad am 31. August 1995).
Schlussrechnung
Derart kühle Abschnitte – vor allem inmitten des Hochsommers – sind zwar selten, kommen aber vor; die Hitzewellen, derer gleich mal 3 im heurigen Sommmer, wurden hingegen allesamt extrem und haben für eine Vielzahl an Temperaturrekorden gesorgt. So spät die Hitze heuer auch dran war, sie hat ihren Job mehr als erfüllt: Das Plus an heißen (Höchstwert ≥ 30 Grad) und sommerlichen Tagen (Höchstwert ≥ 25 Grad) wie auch Tropennächten (Tiefstwert ≥ 20 Grad) überwiegt in den meisten Landeshauptstädten bei Weitem – Bregenz (V) etwa verzeichnet die dritthöchste Anzahl an Sommertagen der Messgeschichte, in Linz (OÖ) gab es zum Beispiel doppelt so viele heiße Tage und Tropennächte wie gewöhnlich -, bei den kühlen Tage (Höchstwert ≤ 20 Grad) hingegen das Minus, in allen Landeshauptstädten gab es solche eigentlich nur Anfang (bzw. teils auch Ende) August.
Ort | 2023 | Mittel 1991-2020 |
Abweichung | Rekord |
Innsbruck – Universität | 35 | 19,7 | +77 % | 43 / 2015 |
Eisenstadt | 30 | 19,2 | +56 % | 38 / 2015 |
Linz | 30 | 14,0 | +114 % | 39 / 2015 |
St. Pölten | 29 | 16,7 | +74 % | 40 / 2015 |
Wien – Hohe Warte | 28 | 18,8 | +49 % | 40 / 2015 |
Salzburg – Freisaal | 25 | 13,3 | +88 % | 40 / 2015 |
Klagenfurt | 21 | 18,5 | +16 % | 37 / 2003 |
Bregenz | 20 | 8,4 | +138 % | 29 / 2015 |
Graz – Flughafen | 17 | 17,0 | 0 % | 48 / 2003 |
Dass da die sommerliche Gesamtbilanz nur überdurchschnittlich ausfallen kann, versteht sich ja hoffentlich von selbst: 2023 reiht sich auf Platz 7 der wärmsten Sommer der österreichischen Messgeschichte seit 1767 – oder anders ausgedrückt: lediglich 3 % (!) aller Sommerjahreszeiten in Österreich waren wärmer als heuer (2003, 2019, 2015, 2022, 2017 & 2018), die Mehrheit von 97 % hingegen kühler.
2023 | 2003 | 2019 | 2015 | 2022 | 2017 | |
Platz 7 |
wärmster Sommer | 2t-wärmster Sommer | 3t-wärmster Sommer | 4t-wärmster Sommer | 5t-wärmster Sommer | |
Juni | +1,1° | +3,2° | +3,8° | +0,5° | +2,3° | +2,4° |
Juli | +1,4° | +0,4° | +1,2° | +2,6° | +1,4° | +0,5° |
August | +0,7° |
+2,6° | +1,1° | +2,0° | +1,2° | +1,2° |
Gesamt | +1,08° | +2,06° |
+2,05° | +1,72° |
+1,66° |
+1,35° |
Hinweis: Abweichungen nach dem HISTALP-Datensatz, Klimamittel 1991-2020
Überraschende Niderschlagsbilanz
Beim Niederschlag ist die Gesamtbilanz etwas ambivalenter, denn österreichweit schneidet der Sommer 2023 – Überraschung! – ausgeglichen ab; in vielen Regionen war der heurige Sommer sogar bis in den Juli hinein mit enormer Trockenheit konfrontiert: Bregenz (V) zum Beispiel war 25 Tage lang niederschlagsfrei – die längste sommerliche Trockenperiode in der Vorarlberger Landeshauptstadt seit Messbeginn (alter Rekord: 23 Tage im Sommer 1959). In weiten Teilen Vorarlbergs, Tirols, Salzburgs und Oberösterreichs schneidet der Juni 2023 als einer der trockensten, mancherorts sogar als der trockenste der jeweiligen Messgeschichte ab (z.B. im oberösterreichischen Ried im Innkreis, Beginn 1872). In Niederösterreich, Wien und im Nordburgenland verlief in Folge der Juli außerordentlich niederschlagsarm, ebenfalls mit regionalen Trockenheitsrekorden (etwa in Zwettl im Waldviertel (NÖ), Messbeginn 1883). Auch die Gesamtanzahl der Regentage ließe (mit Ausnahme von Klagenfurt und Graz – Erklärung folgt) auf einen durchschnittlichen, teils trockenen Sommer schließen, die Gesamtanzahl der Blitze, die vom österreichischen Blitzortungssystem ALDIS registriert wurden, gar auf einen gewitterarmen. Doch der Schein trügt; eine jede der drei Hitzewellen war mit beispiellosen Unwettern verbunden, jene des Julis und August gingen überhaupt mit Hochwasserlagen zu Ende.
Tage mit > 1 mm |
Tage mit > 10 mm |
Tage mit > 30 mm |
||||
Ort | 2023 | Mittel |
2023 |
Mittel | 2023 |
Mittel |
Wien – Hohe Warte | 20 | 25,3 | 7 | 6,8 | 1 | 1,0 |
St. Pölten | 32 | 29,7 | 5 | 8,8 | 1 | 1,8 |
Eisenstadt | 22 | 25,8 | 5 | 7,3 | 0 | 1,2 |
Linz | 29 | 33,2 | 8 | 9,4 | 1 | 1,1 |
Salzburg – Freisaal | 42 | 43,9 | 19 | 18,2 | 3 | 4,3 |
Innsbruck – Universität | 39 | 40,0 | 7 | 13,2 | 1 | 1,8 |
Bregenz | 31 | 40,6 | 19 | 18,5 | 5 | 4,9 |
Graz – Flughafen | 38 | 31,3 | 15 | 12,3 | 3 | 2,5 |
Klagenfurt | 41 | 31,5 | 21 | 12,3 | 5 | 2,5 |
Zufällige Volltreffer
Von allen Monaten am entspanntesten war noch der Juni drauf, wobei auch er mit durchaus anständigen Gewitter-Kalibern aufhorchen hat lassen: Am 05. d. M. zog etwa eine Gewitterzelle genau über Wels (OÖ) und sorgte für die ersten Niederschlagsrekorde des noch jungen Sommers: 125 mm (davon der Großteil in nur 2 Stunden) bedeuten nicht nur Stationsrekord (Messbeginn 1983) sondern auch eine der höchsten Tagesniederschlagssummen in ganz Oberösterreich (mit Ausnahme des Mühlviertels und des Salzkammerguts sind Mengen von mehr als 100 mm äußerst selten, im Zentralraum Oberösterreichs gabs dergleichen überhaupt noch nie, bisheriger 24-h-Rekord: 110 mm in Kremsmünster im Juli 1957). Zwei Tage später, am 07. Juni, konnte Bruckneudorf im Nordburgenland einen Volltreffer vermelden: 111 mm, davon wieder ein Großteil in nur 2 Stunden. Auch dieser Wert einerseits Stationsrekord (Beginn 1939), andereseits eine der höchsten Tagesniederschlagsmengen des gesamten Burgenlands (Rekord: 155 mm in Glashütten im Oktober 1982). Niederschlagsmengen im Zuge von Gewittern als sehr kleinräumigen Phänomenen sind von stationären Wetterstationen in der Regel nur schwer zu erfassen; dass der Juni da gleich zwei Volltreffer in kurzer Zeit hingelegt hat, ist freilich auch dem Zufall geschuldet (man bedenke: es war Anfang Juni noch nicht mal heiß). Doch beide Ereignisse zeigen eindrucksvoll: Gewitter sind immer eine Naturgefahr; eine, die im Zuge des Klimawandels immer gefährlicher wird – wie die Unwetterserie im Juli unter Beweis stellen sollte.
Des Klimawandels Folgen: Sturm
Die erste Tranche fegte in mehreren Wellen zum Höhepunkt der julianischen Hitzewelle (Mitte Juli) übers Land, konnte diese aber nicht ausräumen, weshalb sich selbiges zum Ende der Hitzewelle im letzten Julidrittel nochmals wiederholen sollte. Neben großem Hagel und lokal großen Niederschlagsmengen wurden im Zuge dieser Unwetter an nicht weniger als 20 % aller Wetterstationen im Land (an 55 von 270) monatliche Sturmrekorde verzeichnet, an vielen Standorten zum allerersten Mal Böen in Orkanstärke (≥ 118 km/h), womit die bisherigen Rekorde regelrecht pulverisiert wurden:
Etwa in Bad Eisenkappel (K) mit 121 km/h am 18. d. M. – doppelt so hoch wie der bisherige Juli-Rekord von 64 km/h (2013) – oder in Bad Radkersburg (ST) mit 120 km/h am 13. d. M. – ebenfalls eine gewaltige Steigerung zum alten Juli-Rekord von 75 km/h (2003). Den (Sturm-)Vogel aber hat Hintertux im Zillertal (T) abgeschossen: In einer Ortschaft, in der pro Jahr gerade mal an 4 Tagen mehr als 60 km/h gemessen werden, und in der die höchste je gemessene Juli-Böe bei nicht mehr als 46 km/h lag (2019), fegte am 18. Juli 2023 eine Spitzenböe von 120 km/h durch. Unwetter werden im Zuge des Klimawandels immer heftiger – selbst in Regionen, die bisher eher ruhig waren. Dass am selben Tag in Innsbruck (Flughafen) 161 km/h gemessen wurden, sei abschließend noch erwähnt, schließlich handelt es sich hierbei um die fünfthöchste je gemessene Böe unterhalb von 1000 Meter Seehöhe in Österreich (Rekord: Hirschenstein (B) mit 172 km/h im März 2013).
Theorie und Praxis
Der August schließlich hatte 2 veritable Hochwasserlagen im Schlepptau – beide als Konsequenz nicht enden wollender Hitze. Prinzipiell ist es ja so, dass Hitzewellen gemeinhin immer mit durchziehenden Kaltfronten zu Ende gehen, Kaltfronten wiederum gehen häufig mit Gewittern einher, manche induzieren in Folge auch gerne mal ein Italientief (die wiederum die Niederschlagsbringer im Alpenraum schlechthin sind). So weit, so gut. Wenn aber Kaltfronten gar nicht mehr die Power haben, die Hitze in einem Wisch auszuräumen, und hängenbleiben, passiert das eben erzählte dennoch, nur mit dem Unterschied, dass die ausgelösten Gewitter stationär sind, sich also kaum vom Fleck rühren (in der Meteorologie sprechen wir von Luftmassengrenze). So geschehen Ende August – am Ende der lezten großen Hitzewelle des Sommers.
Des Klimawandels Folgen: Niederschlag
Eine solche Luftmassengrenze und in Folge ein Italientief bringen große Regenmengen in Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten, teils auch in Oberösterreich und der Obersteiermark. In 48 Stunden fallen bis an die 200 mm (wie bspw. in Fraxern (V) mit 196 mm in 48 h), die allerdings je nach Region anders zu bewerten sind: In Vorarlberg, wie auch in Osttirol und Oberkärnten, sind derartige Niederschlagsmengen (relativ) häufig, hier kommt mit solchen Wassermassen in der Regel auch besser zurecht. In Nordtirol und im Salzburger Land hingegen sind derart große Niederschlagsmengen selten, teils auch ungesehen; die Auswirkungen gerade in den inneralpinen Tälern gebietsweise verheerend.
An diesem Eregnis lässt sich schön erkennen, wie viele Finger der Klimawandel bereits im Spiel hat: Derartige Wetterlagen – vor allem gegen Sommerende – sind für den Alpenraum an sich nichts Neues, ähnliche Eregnisse finden sich praktisch jährlich. Und doch wurden uns diesmal zwei wesentliche Punkte zum Verhängnis: 1. Die Schneefallgrenze war abartig hoch, selbst an Österreichs höchsten Stationen über 3000 Meter ist der Großteil des Niederschlags als Regen gefallen (und war daher selbst im Hochgebirge nicht in Form von Schnee gebunden). 2. Das Mittelmeer war bereits den ganzen Sommer hindurch abartig warm (teils bis 5 Grad wärmer als normal) – gefundenes Fressen für Italientiefs, denn ein Teil dieser zusätzlichen Energie wird über Wasserdampf an die Luft abgegen, was wiederum in stärkeren Regenfällen resultiert. An sich schon niederschlagsreiche Wetterlagen werden somit im Zuge des Klimawandels noch niederschlagsreicher, wie auch am zweiten sommerlichen Hochwassereignis Anfang August zu beobachten war.
Kärnten unter
Mehrere Kaltfronten queren zum Ende der Juli-Hitzewelle den Alpenraum, die ersten sorgen für die obligatorischen Gewitter, einer glückt schließlich die Geburt eines Italientiefs – wie bereits beschrieben, ein erwartbarer Ablauf. Anders als in vielen Regionen des Landes aber hatte der Süden Österreichs einen bereits niederschlagsreichen Juli, praktisch täglich waren Gewitter im Umlauf (und Grund, warum Klagenfurt und Graz in der Bilanz der Niederschlagstage auch stark positiv abschneiden), die Böden dementsprechend gesättigt. Die Vorgeschichte hätte also für ein aufziehendes Italientief ungünstiger nicht sein können, doch ausschlaggebend war auch in diesem Fall ein absurd warmes Mittelmeer – die Luftmasse war dadurch hochgradig labil, der Regen konvektiv verstärkt.
In einer Region, die normal schon als eine der niederschlagsreichsten des ganzen Landes zählt – den Karawanken – fiel ein Rekord nach dem anderen: Am Loiblpass an der Kärntner Grenze zu Slowenien gabs erst den nassesten Juli der Messgeschichte (Gesamtsumme 430 mm, alter Rekord: 386 mm, Juli 1965), dann den nassesten Sommertag (185 mm am 03. August, alt: 124 mm, im Sommer 1969), den nassesten August (Gesamtsumme: 462 mm, alter Rekord: 366 mm, August 1963) und als Draufgabe den nassesten Sommer (Gesamtsumme 1091 mm, alter Rekord: 820 mm, 2020). In vielen Regionen Unterkärntens waren die Tage 04. + 05. August 2023 die nassesten 48 Stunden seit Aufzeichnungsbeginn – etwa in Bad Eisenkappel, Ferlach und Klagenfurt.
Info: Am 04. & 05. August 2023 wurden in Unterkärnten Rekordniederschlagsmengen verzeichnet, Summe auf 48 Stunden gerechnet.
Ort | 48-h-Menge 2023 | 48-h-Menge, Rekord |
Loiblpass | 266 mm | 289 mm, Jänner 1979 (Sommer: 178 mm, Juli 2002) |
Bad Eisenkappel | 203 mm | 156 mm, Oktober 1980 |
Ferlach | 212 mm | 154 mm, September 1965 |
Völkermarkt | 143 mm | 116 mm, Juni 1964 |
Klagenfurt | 127 mm | 111 mm, August 2003 |
Sommerliche Niederschlagsparadoxie
Trotz dieser extremen Niederschlagsereignisse Anfang und Ende August schneidet der Sommer 2023 in der österreichweiten Gesamtbilanz – wie schon erwähnt – ausgeglichen ab; im Großteil des Landes waren ja Juni und Juli zuvor viel zu trocken. Damit zeigt sich einmal mehr, dass der Trend zu immer extremen Wetteregnissen ungebrochen anhält: Bereits in den letzten 30 Jahren haben gerade in der warmen Jahreszeit Tage mit starken oder extremen Niederschlägen (im Vergleich mit dem ausklingenden 20. Jahrhundert) um 10 – 30 % zugenommen, wohingegen Tage mit schwachen oder moderaten Niederschlägen im gleichen Zeitraum abgenommen haben – der paradoxe Umstand, dass unsere Sommer einerseits immer längeren Trockenperioden bringen, andererseits aber auch immer häufiger große Regenmengen und damit in Folge Überflutungen und Muren, ist damit erklärt.
Abschlussworte
Zwei Hochwasserlagen, Unwetter beispielloser Heftigkeit, nächtliche Hitzerekorde: Dramatische Folgen einer sich wandelnden Welt. Vor wenigen Jahren noch waren Temperaturen von mehr als 35 Grad im Juni die absolute Ausnahme, nun werden derart absurde Werte in den Nächten gemessen. An sich schon niederschlagsreiche Wetterlagen bringen immer mehr Niederschlag, harmlose Sommergewitter werden zum Auslaufmodell. Es liegt an uns allen, Zeichen wie diese endlich ernst zu nehmen – und während ich diese Abschlusszeilen schreibe, erschallen im Radio schon wieder die Freudenfanfaren: Der Herbst beginnt heiß mit Temperaturen bis 30 Grad. Offenbar haben es manche noch immer nicht verstanden …
PS: Wie immer gilt es, all jenen zu danken, die mich in meinem Tun stets unterstützen – etwa Alexander Orlik (GeoSphere Austria), Thomas Rinderer (ORF) und Thomas Kumpfmüller (AustroControl). Nur dank des Austauschs mit euch gelingt es mir, Jahr für Jahr diese Bilanzen zu schreiben! Seid umarmt :)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!