Winter-Halbzeit

Na bitte!
Die letzten Winter haben allesamt eins gemein: Sie zählen zu den wärmsten der österreichischen Messgeschichte. Der heurige aber zeigt eindrucksvoll, dass es auch anders geht – und beschert uns den kältesten Jänner seit gut einem Jahrzehnt. Ganz konträr dazu der Dezember: zu warm, zu trocken, zu sonnig. Eine Bilanz zur Halbzeit und wie sehr die subjektive Wahrnehmung schon vom Klimawandel beeinflusst ist …

Schröcken (Vorarlberg) am 09. Jänner 2017. So hat ein Winter auszusehen! (Webcam: foto-webcam.eu)

Mediale Eiszeit
Stell dir vor, es ist nicht nur Winter, sondern auch kalt! Was der Logik nach das Normalste der Welt sein sollte, wird von der medialen Berichterstattung ausgeschlachtet ohne Ende. Zweistellige Minuswerte? Im Hochwintermonat Jänner? Ungeheuerlich! Fast gewinnt man da den Eindruck, wir befinden uns inmitten einer nie enden wollenden Eiszeit; der Boulevard hat sogar schon einen “Rekordwinter” ausgerufen. Berechtigt? Natürlich nicht!

Bloß huschi!
Knapp minus 30 Grad – der bisherige Tiefstwert dieses Winters, aufgestellt am 06. Jänner 2017 an Österreichs höchster Wetterstation, dem Brunnenkogel im Tiroler Ötztal. Ich geb’ zu, durchaus respektabel. Mehr aber auch nicht, von irgendwelchen Rekorden dann doch noch ein Stückchen entfernt. Selbiges gilt für Tannheim im Tiroler Außerfern, das mit minus 26 Grad die bisher tiefste Temperatur des Winters abseits der Bergstationen aufgestellt hat. Und für Österreichs Landeshauptstädte sowieso.

Ort Bundesland, Höhe Tiefstwert Tiefstwert zuvor Rekord
Brunnenkogel T, 3437 m -29,7° (06.01.2017) -31,5° (2012) -31,5° (2012)
Sonnblick S, 3109 m -28,7° (06.01.2017) -29,3° (2012) -37,4° (1905)
Pitztaler Gletscher T, 2864 m -25,5° (06.01.2017) -26,0° (2013) -29,0° (2005)

Unnötiger Bahö
Warum also die Aufregung? Nun, weil diese Temperaturen (mit wenigen Ausnahmen) doch glatt die tiefsten seit 5 Jahren waren – seit Feber 2012 nämlich! Das bedeutet jetzt keineswegs, dass zweistellige Minuswerte hierzulande selten oder gar ungewöhnlich wären, sondern bloß, dass die letzten 3 Winter brutal warm waren – ja, sie zählen sogar zu den wärmsten der österreichischen Messgeschichte. Da kann man freilich schon mal vergessen, dass Winter auch anders geht.

Konträrer Dezember
Der heurige Jänner führt uns also lediglich vor Augen, dass es in der kalten Jahreszeit auch mal kalt sein darf – er ist sogar der kälteste seit elf Jahren! Doch so winterlich sich der Jänner bisher auch gibt, so unwinterlich war der Dezember: Besonders im Bergland ausgesprochen warm (Platz 7 in der Hitliste)1, im ganzen Land extrem trocken (Platz 3)2  und damit Negativrekorde in Sachen Schnee, Positivrekorde hingegen beim Sonnenschein (österreichweit Platz 2)3.

Sonnige Kontinuität
Besonders der Sonnenschein ist diesbezüglich bemerkenswert. Aber weniger der Umstand, dass dieser Dezember so sonnig war, sondern eher, dass wieder einer so sonnig war! Den mit Abstand sonnigsten hatten wir nämlich erst 2015 (mit einem Sonnenplus von 90%), 2016 hievt sich mit einem Plus von 72% auf Platz 2. Wen es interessiert: Auf Platz 3 liegt 1989, gefolgt von 2006 auf dem vierten und 2013 auf dem fünften Platz. Werden also die Dezember-Monate immer sonniger? Ja! Die Sonnenscheindauer hat seit Beginn der flächendeckenden Aufzeichnungen 1925 um gut 20% zugenommen. Heureka!

Abweichung der Sonnenscheindauer [%] im Dezember vom Mittel 1901-2000 in Österreich. Der Anstieg ist deutlich zu erkennen (Bild: ZAMG/Histalp)

Take me where the sun is shining
So manche Station hat dabei überhaupt einen Sonnenscheinrekord aufgestellt: Bregenz etwa, das gleich mal auf doppelt so viele Sonnenstunden gekommen ist, wie normal (+113 % bzw. 106 Sonnenstunden). Oder Innsbruck: Mit 152 Sonnenstunden (+81%) hat die Tiroler Landeshauptstadt den alten Rekord, aufgestellt erst 2015, um 4 Stunden überboten. Über allem aber steht Klagenfurt: Ein Sonnenplus von sage und schreibe 150% – Wahnsinn! Der alte Rekord aus dem Jahre 1918 wurde dabei gleich mal um 19 Stunden übertrumpft.

Der Haken an der Sache
Die Zunahme von Sonnenschein ist übrigens ein Phänomen, das sich nicht nur auf den Dezember und nicht nur auf Österreich beschränkt: Auch im Jahresschnitt nimmt die Sonnenscheindauer immer mehr zu – allen voran im Sommer – und das im gesamten Alpenraum. Der Grund hierfür: der subtropische Hochdruckgürtel wandert nach Norden, eine Folge des Klimawandels. Im Klartext: Hochdrucklagen werden bei uns häufiger, was im Sommer zu schweren Hitzewellen führen kann – wie 2015 oder 2003, beide Sommer gelten europaweit als schwere Naturkatastrophen. Im Winter hingegen haben solche Wetterlagen einen ganz blöden Nebeneffekt: Schneemangel.

Absurditäten
Stellvertretend hierfür soll uns Österreichs höchste Wetterstation im Süden dienen: die Villacher Alpe in Kärnten auf 2100 Meter Seehöhe. Hier oben kommt man im Mittel auf 31 Schneedeckentage4 mit einer Neuschneesumme von 64 cm. Und heuer? Null! Nix! Nada! Ein wenig Reif zwar zur Monatsmitte, aber ansonsten den ganzen Dezember hindurch keine einzige Schneeflocke – absoluter Negativrekord, noch negativer gehts gar nimma!

Die Villacher Alpe mit Blick nach Westen ins Kärntner Gailtal. Den gesamten Dezember hindurch ist keine einzige Schneeflocke vom Himmel gefallen! (Webcam: foto-webcam.eu)

Ad absurdum wird das aber erst, wenn man sich die Schneebilanz aus Wien zu Gemüte führt: 3 Schneedeckentage mit 3 cm Neuschnee – zwar auch nicht die Welt, aber zumindest gleich viel, wenn nicht mehr, wie viele Schigebiete und Wintersportorte.

Ort Bundesland, Höhe Schneedeckentage Ø [d] Neuschnee [cm] Ø [cm]
Wien W, 198 m 3 8 3 17
Innsbruck T, 578 m 0 14 0-1 * 21
Sonnblick S, 3109 m 31 31 160 250
Villacher Alpe K, 2117 m 1 ** 31 0 64
Seefeld T, 1182 m 3 26 4 80
Schröcken V, 1244 m 3 29 3 164
Langen / Arlberg V, 1221 m 3 26 3 142

* Am 19. Dezember hat die Messstation Innsbruck-Uni 1 cm gemeldet, Innsbruck-Flughafen Spuren.
** Am 01. Dezember hat die Villacher Alpe noch Reste vom Schneefallereignis im November gemeldet, daher der eine Schneedeckentag.

Leise rieselt (k)ein Schnee …
Apropos: Der Dezember 2016 hat auch einen ganz und gar unerwünschten Trend fortgesetzt, nämlich den zu grüne Weihnachten. Was im Flachland ja mehr die Regel denn die Ausnahme ist, war in vielen Wintersportorten vor Kurzem noch undenkbar! Als Beispiel soll uns hier eine der verlässlichsten Wetterstationen Österreichs in Sachen Schnee dienen: Schröcken im Bregenzerwald in Vorarlberg. Seit 1900 wird dort Schnee gemessen – und noch nie war Weihnachten grün, mit einer Ausnahme: 2015. Und eben heuer.

Ort Bundesland, Höhe Schneemessung seit Grüne Weihnachten
Seefeld T, 1182 m 1948 2014, 2015, 2016
Schröcken V, 1244 m 1900* 2015, 2016
Galtür T, 1587 m 1938 1987, 2014, 2015, 2016

* Aufgrund eines Stationsausfalls liegen aus dem Jahr 1961 keine Daten vor!

Was fehlt, das fehlt
Der Dezember 2016 geht damit als einer der trockensten in die österreichische Messgeschichte ein (Abweichung -79% , Platz 3), knapp hinter dem Dezember 2015 (-80%) bzw. dem trockensten aus dem Jahre 1865 (-84%). Wer nun übrigens glaubt, der Jänner habe diesen Schneemangel schon ausgeglichen, der irrt! Die vergangenen Tage brachten zwar einiges an Neuschnee, den Quasi-Totalausfall des Dezembers wird aber auch dieser an sich winterliche Jänner vielerorts nicht kompensieren können.

Niederschlagsabweichung vom Mittel 1981-2010 im Dezember 2016 in %. Im Westen und Süden ist stellenweise überhaupt kein Niederschlag gefallen! (Bild: ZAMG/Spartacus)

Wie wird der Feber?
Summa summarum also eine sehr ambivalente Zwischenbilanz des Winters 2016/17. Einerseits ein Jänner, der uns zeigt, wie denn ein Winter zu sein hat, andererseits aber auch ein Dezember der uns das genaue Gegenteil brachte. Wir dürfen also gespannt sein, was der Februar bringt – eine Prognose wage ich nicht. Trotz warmen Starts aber hat dieser Winter die Chance, einer der kältesten dieses Jahrhunderts zu werden. Zeit wird’s – sowohl aus klimatologischer Sicht wie auch persönlicher Überzeugung.

PS: Nur weil wir heuer einen kalten Jänner erleben, heißt das nicht, dass es überall kalt ist. Die gesamte Arktis – eine der sensibelsten Regionen der Welt – leidet unter einer noch nie beobachteten “Hitzewelle”: Seit Wochen liegen die Temperaturen hier um bis zu 20 Grad (!) über dem Mittel! Das hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die arktische Eisbedeckung, sondern am Ende auch auf das gesamte Weltklima, deren Folgen zur Zeit nicht absehbar sind.


Fußnoten:
1
Aufzeichnungsbeginn 1851; zum “Bergland” zählen die Gipfelstationen der ZAMG Sonnblick (S), Feuerkogel (OÖ), Villacher Alpe (K), Schöckl (ST), Schmittenhöhe (S) und Patscherkofel (T), das mit einer Abweichung von +2,8° bilanzierte (Platz 7). Ganz Österreich brachte es auf eine Abweichung von +0,7° (Platz 52) mit Aufzeichnungsbeginn 1767.
Aufzeichnungsbeginn flächendeckender Niederschlagsdaten 1858.
Aufzeichnungsbeginn der flächendeckenden Sonnenscheindauer 1925.
4 Ein Schneedeckentag liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Messung (täglich 7 Uhr MEZ) eine Schneedecke von mindestens 1 cm vorhanden ist. 


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