Sommer 2019: Klimawandel hautnah erleben

Statistische Unmöglichkeit
Der Sommer 2003 gilt nicht nur in vielen Ländern Europas als der heißeste der jeweiligen Messgeschichte, er war schlicht eine der schwersten Naturkatastrophen des Kontinents. In Österreich bilanzierte er mit unvorstellbaren 2,8 Grad Abweichung; nur zum Vergleich: der bis dahin gültige Rekordhalter (der Sommer 1992) brachte es auf eine Abweichung von gerade mal 1,4 Grad – da liegen ganze Welten dazwischen! Die Wahrscheinlichkeit, einen Sommer wie 2003 auch nur einmal erleben zu dürfen/müssen, ist in Österreich mit weniger als 0,28% verschwindend gering; praktisch ausgeschlossen aber ist, dass sich selbiges auch noch innerhalb kürzester Zeit wiederholt. Doch mit 2015, 2017 und 2018 standen gleich drei Sommer der jüngeren Vergangenheit dem 2003er in nichts nach, der heurige schließt sogar auf und hat selbigen – allen statistischen Gesetzmäßigkeiten zum Trotz – in vielen Landesteilen übertroffen. Eine Bilanz.

Die Chefredakteurin des KURIER veröffentlichte am 24. Juli 2019 ein fragwürdiges Posting, das nicht nur inhaltlich falsch ist, sondern auch die Scheinheiligkeit der Gesellschaft unterstreicht. Nach heftiger viraler Kritik wurde es unkommentiert gelöscht (Quelle: Facebook-Profil Martina Salomon).

Richtigstellung
Er zählt zwar nicht zum Sommer, erwähnen möchte ich ihn trotzdem: Der Mai 2019 war kühl und nass, im Großteil Österreichs brachte er keinen einzigen Sommertag (Temperatur ≥ 25 Grad) – zugegeben, nicht der Inbegriff eines Wonnemonats, aber angesichts des Umstandes, dass 13 Monate am Stück davor zu warm waren, eine mehr als willkommene Abwechslung. In Zeiten von Fake News sind aber Fakten bekanntlich nebensächlich; so wurde aus dem “kühlen Mai” gleich mal der “kälteste überhaupt”, der nun gerne aus dem Hut gezaubert wird, wenn es darum geht, diesen Sommer zu verteidigen. Tatsächliche Hitzerekorde – und derer brachte dieser Sommer en masse – werden konsequent mit dem “Es ist Sommer!”-Schmäh quittiert. Mühsam und absurd.

Temperaturabweichungen zum Klimamittel 1981-2010 (in Grad Celsius) der Monate März 2018 bis August 2019 (Daten: ZAMG)

Juni-Wahnsinn
Denn unabhängig davon, ob wer Hitze mag, oder nicht: Zu behaupten, alles sei normal (oder schlimmer: man solle sich doch freuen), grenzt schlicht an Realitätsverweigerung. Bereits der Juni brachte im Laufe von 2 Hitzewellen an rund der Hälfte aller österreichischen Wetterstationen (immerhin 269) neue Monatsrekorde, an sage und schreibe 43 Stationen gar

Jene Orte, die im Sommer 2019 Allzeit-Hitzerekorde aufgestellt haben (weiß = Juni, rosa = Juli).

Allzeit-Rekorde – betroffen selbst Orte mit sehr langen Messreihen, wie zum Beispiel Innsbruck (Messbeginn 1877): An 3 aufeinanderfolgenden Junitagen überbot sich die Tiroler Landeshauptstadt selbst, in einer vierten Runde zum Monatsende dann der ultimative Höhepunkt mit 38,5 Grad – nicht nur die höchste je gemessene Temperatur aller Monate in Innsbruck, sondern überhaupt in ganz Westösterreich! Die neuen Bestmarken wurden dabei richtiggehend pulverisiert; Hermagor (K) zum Beispiel hat gegen Juniende ebenfalls die 38-Grad-Marke geknackt und seinen alten Rekord damit locker-flockig um satte 5 Grad überboten. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen! FÜNF GRAD! Des is echt nimma lustig. Und zeigt eindrucksvoll: Der Juni ist längst nicht mehr der harmlose Frühsommermonat von anno dazumal.

Bisheriger Juni-Rekord 36,2°
25. Juni 2019 36,7°
26. Juni 2019 37,0°
27. Juni 2019 37,5°
30. Juni 2019 38,5°
Absolut-Rekord für ganz Nordtirol und Vorarlberg

Heiß in Stadt und Land
Mit Ausnahme von Eisenstadt und Graz verbuchen damit alle Landeshauptstädte bereits im Juni einen Rekord an heißen Tagen (Temperatur ≥ 30 Grad) – 10 Stück etwa in Bregenz. Zehn! Die Vorarlberger Landeshauptstadt kommt im Juni normal auf 1 (und das in gerade mal jedem zweiten Jahr). Innsbruck stellt mit 17 (gemeinsam mit Langenlebarn in Niederösterreich) überhaupt einen Österreich-Rekord auf (und hat damit bereits im Juni das Jahressoll erreicht). Die Flucht aufs Land half da übrigens nur bedingt, auch St. Johann im Pongau (S) oder Bad Goisern (OÖ) kommen zum Beispiel auf 16 heiße Junitage – und damit (ohne Schmäh!) auf gleich viele wie in Wien!

Auf der Schmittenhöhe bei Zell am See in Salzburg wurde am 26. Juni der erste Sommertag der Messgeschichte registriert (Webcam: foto-webcam.eu).

Von wegen Sommerfrische
Das führt nicht zuletzt Begriffe wie “Sommerfrische” ad absurdum, allen voran, weil ja selbst höhere Lagen in diesem Juni nicht hitzefrei blieben: In Nauders (T) auf 1300 Meter Seehöhe wurde an 5 Tagen die 30-Grad-Marke überschritten (und damit öfter als in allen Junimonaten zuvor), im noch höheren Galtür (T, 1587 m) gab es 30 Grad im Juni vor 2019 überhaupt noch nie. Und selbst bis in hohe Lagen ist die Hitze vorgedrungen: Auf der Schmittenhöhe bei Zell am See (S) zum Beispiel in diesem Juni 25 Grad gemessen – ein Sommertag! Auf knapp 2000 Meter! Einzigartig in der Messgeschichte, und gemessen wird hier oben net erst seit gestern (Beginn 1933).

Ort Juni 2019 Mittel 1981-2010 Rekord?
Wien – Stadt 16 3,7 Rekord
Eisenstadt 10 2,6 kein Rekord
St. Pölten 14 2,2 Rekord
Linz 11 2,3 Rekord
Salzburg – Freisaal 12 2,1 Rekord
Innsbruck – Universität 17 4,0 Österreich-Rekord
Bregenz 10 0,2 Rekord
Graz – Universität 11 2,4 kein Rekord
Klagenfurt 12 2,3 eingestellt

Wiener Rekord-Reigen
Was sich tagsüber abgespielt hat, fand Fortsetzung in den Nächten – sie waren warm wie nie. Die Wiener Innenstadt schießt da naturgemäß den Vogel ab: 25,6 Grad Tiefstwert (!) am 27. Juni 2019 – noch nie war eine Juninacht irgendwo im Land wärmer. Am selben Tag beim Aufstehen um 8 Uhr bereits 29,9 Grad – Rekord. Im gesamten Juni 13 Tropennächte (Tiefstwert ≥ 20 Grad) – Rekord. Am Ende des Sommers kommt die Stadt gar auf 40 Stück – erraten, auch das Rekord. Das langjährige Mittel liegt übrigens im ganzen Jahr bei 15!

Bis in die hintersten Winkel
Man kann dieses Spielchen freilich beliebig weiterführen und auf die Bundesländer ausdehnen. Oberösterreich zum Beispiel steht der Bundeshauptstadt in Sachen wärmster Nacht um nichts nach mit 25,3 Grad Tiefstwert am 15. d. M. in Windischgarsten. Leko mio! Die bisher wärmste Nacht gabs hier vor 20 Jahren mit 20,6 Grad (und wieder liegen zwischen Platz 1 und 2 ganze Welten). Selbst im Salzkammergut (Bad Mitterndorf, Bad Goisern), im Salzburger Land (Abtenau, Bad Gastein), im Mühlviertel (Bad Zell), oder im Wienerwald (Klausen-Leopoldsdorf) wurden in diesem Juni Tropennächte verzeichnet – in keiner der genannten Orte hat es das im Juni jemals zuvor gegeben.

Wien färbt ab
Und weil wir schon bei Tropennächten sind, muss auch Kärnten erwähnt sein; sie sind in unserem südlichsten Bundesland schließlich generell eine Rarität. Seit Messbeginn gab es das – über alle Stationen und Jahre gesehen – erst 82 Mal (vergleiche: in Wien gab es allein in diesem Sommer 40!). Heuer aber wurde selbst in Kärnten 20 Mal eine Tropennacht registriert, 15 Meldungen davon allein in einer einzigen Nacht (auf den 11. August 2019), wie in Klagenfurt (22,4 Grad, Rekord), Pörtschach (23,3 Grad, Rekord) oder auch Millstatt (21,2 Grad, 1. Tropennacht überhaupt). Man muss sich vorstellen: Rund 1/5 aller je in Kärnten registrierten Tropennacht-Meldungen entfallen auf den Sommer 2019! Warme Nächte sind längst kein reines Wien-Phänomen mehr.

Ort Sommer 2019 Mittel 1981-2010 Rekord?
Wien – Stadt 40 15,5 Rekord 
Eisenstadt 13 3,4 19
St. Pölten 3 1,1 7
Linz 8 1,6 9
Salzburg – Freisaal 0 0,6 5
Innsbruck – Universität 3 0,3 Rekord eingestellt
Bregenz 4 1,8 7
Graz – Universität 8 1,2 9
Klagenfurt 3 0,2 Rekord

Wenn Rekorde nichts mehr wert sind …
Doch zurück zum Juni, der dermaßen extrem war, dass sogar Juli und August einpacken können – und das, obwohl die beiden ebenfalls zu den wärmsten ihrer Zunft zählen: Beide brachten überdurchschnittlich viele heiße Tage, beide brachten überdurchschnittlich viele warme Nächte, beide brachten Temperaturrekorde, beide liegen in den Top 10 der wärmsten. Aber wen bitte schön haut nach diesem Juni zum Beispiel noch ein einfacher Monatsrekord vom Hocker? Kötschach-Mauthen (K) zum Beispiel kann mit seinem Julirekord von 34,5 Grad (aufgestellt am 24. d. M.) baden gehen, denn im Juni wurden bereits 36,8 Grad gemessen. Ebenso das bereits weiter oben im Text erwähnte Hermagor (K): Die 35,1 Grad (ebenfalls am 24. d. M.) mögen Julirekord sein, der Juni hatte aber 38,1 Grad zu bieten. Wir sehen: Nicht mal der Hochsommer (gemeinhin als Hundstage bekannt) kommt an das Niveau des heurigen Junis heran!

Ort Bundesland Juli-Rekord Juni-Rekord
Hermagor K 35,1° / 24. Juli 2019 38,1° / 27. Juni 2019
Kötschach-Mauthen K 34,5° / 24. Juli 2019 36,8° / 26. Juni 2019
Obervellach K 35,3° / 24. Juli 2019 + 27. Juli 2013 36,0° / 27. Juni 2019
Virgen T 32,8° / 24. Juli 2019 33,5° / 26. Juni 2019

Glück im Unglück
Und dabei hatte Österreich noch Glück, denn was sich Ende Juli in weiten Teilen West-, Mittel- und Nordeuropas abgespielt hat, ist historisch ohne Beispiel und lässt sogar die größten Klimaskeptiker verstummen: Allzeit-Hitzerekorde in Deutschland, Frankreich (und die Grande Nation hat bereits im Juni Hitze-Geschichte geschrieben), Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Norwegen. Vielerorts ist dabei erstmals die 40-Grad-Marke gefallen – und das gleich flächendeckend!

Eine Auflistung jener europäischen Länder, die im Sommer 2019 einen nationalen Hitzerekord aufgestellt haben:

Land Rekord Sommer 2019 Alter Rekord
Frankreich 46,0° / Vérargues (im Juni aufgestellt) 44,1° / Conqueyrac & Saint-Christol-lès-Alés / 2003
Deutschland 42,6° / Lingen 1 40,3° / Kitzingen / 2015
  Belgien 41,8° / Begijnendijk 38,8° / Ukkel / 1947
Luxemburg 40,8° / Steinsel 40,5° / Remich / 2003
Niederlande 40,7° / Gilue-Rijen 38,6° / Warnsveld / 1944
Andorra 39,4° / Borda Vidal (im Juni aufgestellt) 38,5° / Andorra La Vella / 2005
Großbritannien 38,7° / Cambridge Botanic Garden 38,5° / Faversham / 2003
Norwegen 35,6° / Laksfors 35,6° / Nesbyen / 1970

Deutscher Alptraum

25 deutsche Messstationen haben bei der Hitzewelle im Juli 2019 die 40-Grad-Marke geknackt.

Am Beispiel Deutschland zeigt sich besonders gut, wie kolossal diese Hitzewelle war: 40 Grad und mehr wurden in der Bundesrepublik zuvor erst 9 Mal gemessen – und zwar in den Jahren 1983 (an 2 Stationen), 2003 (an 4 Stationen, davon 2x in Karlsruhe) und 2015 an 2 Tagen im bayerischen Kitzingen, das fortan mit 40,3 Grad den deutschen Hitzerekord trug. Und jetzt haltet euch fest: Im Juli 2019 wurde gleich 25 Mal der 40er geknackt, der Kitzingen-Rekord dabei regelrecht pulverisiert mit 42,6 Grad in Lingen in Niedersachsen1, rund 100 km Luftlinie von der Nordsee entfernt! In Worten: Zweiundvierzieg Komma Sechs Grad. So weit nördlich in Europa! Da bleibt einem regelrecht die Spucke weg.

5x heiß wie nie
Von den 40 Grad blieb Österreich zum Glück verschont, die absolut höchste Temperatur wurde in diesem Sommer am 01. Juli mit 38,8 Grad in Krems (NÖ) verzeichnet. Österreichs Hitzerekord von 40,5 Grad (aufgestellt im August 2013) bleibt somit unangetastet – einer der wenigen Rekorde, die dieser Sommer somit nicht knacken konnte. Unterm Strich aber bleiben eine ungeheure Anzahl an heißen Tagen und warmen Nächten, der Sommer 2019 war damit in 5 Landeshauptstädten – Wien, Eisenstadt, St. Pölten, Linz und Klagenfurt – der heißeste der jeweiligen Messgeschichte.

Ort Sommer 2019 Mittel 1981-2010 Abweichung
Wien – Hohe Warte 22,9° 20,0° Rekord
Eisenstadt 22,9° 20,0° Rekord
St. Pölten 21,9° 19,0° Rekord
Linz 22,1° 19,1° Rekord
Salzburg – Flughafen 20,6° 18,0° zweitwärmster Sommer
Innsbruck – Universität 20,8° 18,3° zweitwärmster Sommer
Bregenz 20,7° 18,3° viertwärmster Sommer
Graz – Universität 22,0° 19,3° zweitwärmster Sommer
Klagenfurt 21,4° 18,8° Rekord
Lienz 20,4° 17,8° Rekord

Arschknapp verfehlt
Österreichweit geht der Sommer 2019 mit einer Abweichung von +2,7 Grad als zweit-heißester in die Klimageschichte ein – und verfehlt damit Platz 1 um gerade mal 2/10 Grad. Doch sind wir bitte nicht päpstlicher als der Papst, denn auf was es ankommt ist: Wieder war ein Sommer außergewöhnlich heiß, wieder reiht sich ein Sommer unter die wärmsten der österreichischen Messgeschichte, wieder war ein Sommer dem aus dem Jahre 2003 dicht auf den Fersen – heuer gar so knapp wie noch nie. Dieser Umstand sollte uns ernsthaft Sorge bereiten! Nicht die Frage, ob man im Juli ohne Jackerl im Schanigarten sitzen kann, oder ob die Wiener Freibäder eh wieder einen Besucherrekord verzeichnen konnten.

2003 2019 2015 2017 2018
wärmster
Sommer
2t-wärmster Sommer 3t-wärmster Sommer 4t-wärmster Sommer 5t- wärmster Sommer
Juni +4,3° +4,6° +1,3° +3,1° +1,8°
Juli +0,9° +1,5° +3,0° +0,9° +1,2°
August +3,5° +1,9°   +2,7° +2,0° +2,6°
Gesamt +2,9°
+2,7°   +2,4°
+2,0°
+1,9°

Dürre ist der Hitze Schwester
Was Hitze in der Regel zusätzlich verschärft, ist die häufig damit einhergehende Trockenheit; praktisch alle sehr heißen Sommer in diesem Jahrhundert gingen mit Dürre einher. Lokale Gewitter können zwar heftig sein und punktuell viel Regen in kurzer Zeit bringen, sie haben aber auf Wasserkreislauf wie auch Gesamtbilanz oft nur geringen Einfluss. Was es braucht ist regelmäßiger, flächendeckender Landregen – auch im Sommer! Warum Regen stets mit Schlechtwetter assoziiert und von den meisten Medien verpönt wird, ist und bleibt mir ein Rätsel. Bitte nicht falsch verstehen, wenn es den ganzen Sommer durchregnet, dann ist das freilich nicht so leiwand. Doch die trockenen Sommer häufen sich in letzter Zeit dramatisch. Der heurige reiht sich gar unter die sieben trockensten der österreichischen Messgeschichte.

Der Sommer 2019 geht in ganz Österreich zu trocken zu Ende; im Mittel ist er gar einer der trockensten der österreichischen Messgeschichte. Niederschlagsabweichung (in %) zum Mittel 1981-2010, Karte: Spartacus/ZAMG

Scheinbar alles in Ordnung?
Österreichweit brachte der Sommer 2019 rund 1/3 weniger Niederschlag als gewöhnlich – nach 2018, 2015, 2013 und 2003 also der nächste Sommer, der in Kombi mit der nicht enden wollenden Hitze Natur und Landwirtschaft ordentlich zusetzt. Besonders dramatisch ist die Situation – wieder mal – in Oberösterreich: Ried im Innkreis zum Beispiel verbuchte erst 2018 mit 185 mm so wenig Niederschlag wie seit 1935 (181 mm) nicht mehr, heuer wurde dieser Wert mit 181 mm gar noch mal unterboten – Negativrekord eingestellt. Ein anderes Beispiel aus Salzburg: Rauris kam heuer auf eine Gesamtniederschlagssumme von gerade mal 257 mm – ebenfalls Negativrekord, nach einem auch schon mageren Sommer 2018 (der alte Rekord datierte übrigens aus dem Jahr 1887 mit 320 mm). Doch anders als im letzten Jahr mutet heuer irgendwas anders an – Wiesen scheinen oft grün, Bäume noch voller Saft und belaubt. Ratet mal, was uns heuer den Arsch rettet? Richtig! Einzig der nasse und kühle Mai 2019, also just jener Umstand, über den sich die Hitzefanatiker bis heute echauffieren.

Gletscher-Tribut

Österreichs Gletschern hat der Sommer 2019 wieder schwer zugesetzt. Aufnahme des Goldbergkees (S) am 28. August 2019, Quelle: foto-webcam.eu

Zum Abschluss werfen wir freilich auch noch einen Blick auf unsere Gletscher, denn hohe Temperaturen und wenig Niederschlag lassen das Schlimmste befürchten. Auf dem hohen Sonnblick, weltweit einer der wichtigsten Bergstationen auf über 3000 Meter in Salzburg, schmelzen am 20. August 2019 die letzten Schneereste – mit 5,56 Meter sind wir, so gut bestückt wie schon lange nicht mehr, in diesen Sommer gestartet. Doch was hilft die beste Schneelage, wenn der Sommer verrückt spielt? An nur 18 Tagen ist die Temperatur ins Minus gerutscht (und egalisiert damit den Rekord aus dem Jahre 2003), in Summe brachte die letzten 3 Monate gerade mal 20 Zentimeter Neuschnee (statt im Mittel 213 cm) – quasi ein Totalausfall!. Wenn der September da keine Besserung bringt, sind die Auswirkungen auf die heurige Gletscher-Bilanz einmal mehr katastrophal.

2019 Mittel 1981-2010 Rekord?
Frosttage (Tmin ≤ 0°) 18 43 Rekord eingestellt
Eistage (Tmax ≤ 0°) 1 15 Rekord eingestellt
Mitteltemperatur 4,6° 1,9° 4,9° (2003)
Neuschneemenge 20 cm 213,3 cm Negativrekord

Wenn extrem Usus wird …
Der Sommer 2019 hat in weiten Teilen Europas Klimageschichte geschrieben – auch wenn er in Österreich den heißesten Sommer aus dem Jahre 2003 schlussendlich nicht gänzlich vom Thron kicken konnte. Allein der Umstand, dass wieder einer dran war, ist spektakulär genug und wäre in einer Welt ohne Klimawandel ausgeschlossen. Der heurige Sommer ist damit wie ein Spiegel in die Zukunft; er ist eindringliche Mahnung an uns alle, den Klimawandel endlich nicht nur als ernstes Problem anzuerkennen, sondern diesem auch entschlossen die Stirn zu bieten. Machen wir weiter wie bisher, dann ist ein Sommer wie der heurige nicht nur Usus, sondern schlicht das geringste unserer Probleme. Eine Studie aus dem Jahre 2017 zeigt ganz anschaulich: Wenn wir das 2-Grad-Ziel aus dem Pariser Weltklimavertrag ignorieren, dann wird bereits die Mehrzahl der Sommer sein wie 2003 (respektive wie der heurige). Nicht auszumalen, wie ein Rekordsommer in einem Klima aussieht, in dem wir den heurigen als kühl empfinden …

In einer 2 Grad wärmeren Welt steigt die Häufigkeit von extremen Hitze-Sommern, wie jener aus dem Jahre 2003, massiv an. Aus: Europe will benfit hugely from keeping global warming to 1.5°C, Oktober 2017

PS: Wie immer gilt mein Dank an Gerhard Hohenwarter und besonders Alexander Orlik (ZAMG), ohne deren Hilfe meine Bilanzen sehr datenlos wären. Danke für die unendliche Geduld mit mir! Und ebenfalls vielen Dank an meinen Spezi Thomas Kumpfmüller (AustroControl), der stets genötigt ist, meine Texte auf Plausibilität und Inhalt gegenzulesen.

Fußnote:
1 Am 17.12.2020 wurde der Lingen-Rekord vom Deutschen Wetterdienst annulliert. Neue deutsche Rekordhalter sind Duisburg-Baerl und Tönisvorst mit 41,2 Grad, aufgestellt am selben Tag.

4 Kommentare
  1. Peter Köck
    Peter Köck sagte:

    Vielen Dank für die fantastische Analyse abseits von einzelnen Horrormeldungen in den Medien.
    Der Beitrag ist super flüssig zu lesen und bringt für mich als Meteorologen viel Info!
    Liebe Grüße aus LOWW.

    Antworten
  2. Felix
    Felix sagte:

    Danke für die packende Analyse! Eine kleine Anmerkung zum deutschen Rekord: Der ist umstritten, weil die Station nicht WMO-konform aufgestellt wurde – in einer deutlichen Senke neben Asphaltflächen und dichtem Gebüsch/Bäumen neben dem Temperatursensor, sodass dort keine Zirkulation stattfinden kann. Die anderen Werte im Umkreis sind über 1K niedriger. Deswegen würde ich tendenziell eher die 41,2 in Tönisvorst und Duisburg-Baerl (beide NRW) als neue Rekorde ansehen, vgl. auch https://kachelmannwetter.com/at/messwerte/niedersachsen/tageshoechsttemperatur/20190726-0000z.html

    https://www.wetteronline.de/wetternews/messung-in-lingen-inakzeptabel-42-6-grad-rekord-unbrauchbar-2019-07-30-hi

    Gruß,Felix

    Antworten

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