Rot-weiß-roter Klimawandel

Falsch gedacht
Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Klimawandel stattfindet und dass der Treibhauseffekt nicht nur irgendeine Verschwörungstheorie verrückter Wissenschafter ist. Gut so! Erschreckend ist aber, dass viele Menschen hierzulande noch immer glauben, das Problem wäre nicht unseres. Ein gewaltiger Irrtum!

Schneller als die Welt
Österreich ist viel, aber sicherlich keine Insel der Seligen. Im Gegenteil, Österreich zählt sogar zu den Ländern, die jetzt schon vom Klimawandel besonders betroffen sind: Hat sich die Mitteltemperatur seit 1880 weltweit um 0,85 Grad erhöht, so sind es in Österreich bereits 2 Grad. Die Erwärmung schreitet bei uns (genaugenommen im gesamten Alpenraum) also gleich doppelt so schnell voran, als im globalen Mittel¹!

Entweder, oder
Jetzt werden die einen oder anderen denken „na, die 2 Grad“. Verständlich, ob‘s jetzt an einem Herbsttag 10 oder 12 Grad hat, ist ja wirklich wurscht. Oder im Sommer 30 statt 32 Grad– beides ist heiß. Nur liebe Leute, reden wir hier nicht von Einzel- sondern Mittelwerten. Damit sich nämlich mal was im Mittel ändert, muss sich erst bei den Einzelwerten ganz schön was tun – entweder kollektiv oder protzig. Ist wie mit Geld: Einmal 2 Euro mehr, fällt im Jahresbudget nicht ins Gewicht. Bei täglichen 2 Euro sieht die Sache schon anders aus …

Beispiel: Kollektiv
Dazu zwei Beispiele. Erinnern wir uns an den Winter 2013/14. Ja genau der, der eigentlich keiner war – wenn man nicht gerade in Osttirol oder Oberkärnten seinen Wohnsitz hatte. Es war der zweitwärmste Winter der österreichischen Messgeschichte: Abweichung +2,7 Grad. Am Beispiel Innsbruck sehen wir, dass es praktisch durchgehend zu warm war – die Einzelwerte waren also (mehr oder weniger) kollektiv über dem langjährigen Mittel:

Temperaturverlauf Winter 2013/14 am Beispiel Innsbruck

Temperaturverlauf des Winters 2013/14 im Vergleich zum Mittel 06-13 am Beispiel Innsbruck. Man sieht ein “kollektives” zu warm. Bemerkung: Es handelt sich hierbei um das Tagesmittel der Lufttemperatur! (Graphik: wetterblog.at)

Beispiel: Protzig
Für das zweite Beispiel reisen wir zurück in den Sommer 2013 – ihr wisst schon, der mit dem ersten 40er in Österreich. Frei nach dem Motto: wenn schon heiß, dann richtig, brachte dieser Sommer gleich 3 heftige Hitzewellen und Platz 6 in der Sommerhitparade (Abweichung +1,2 Grad). Das Beispiel Klagenfurt zeigt diese protzigen Ausreißer ganz gut – und auch, dass der Rest eigentlich durchaus normal war, auf die erste gar ein Kaltlufteinbruch folgte:

Temperaturverlauf Sommer 2013 am Beispiel Klagenfurt

Temperaturverlauf des Sommers 2013 im Vergleich zum Mittel 06-14 am Beispiel Klagenfurt. Man sieht die 3 protzigen Ausreißer (Hitzewellen). Bemerkung: Es handelt sich hierbei um das Tagesmittel der Lufttemperatur! (Graphik: wetterblog.at)

Merke!
Während bei uns in Österreich also die Winter- und Frühlingsmonate eher Variante „kollektiv“ bevorzugen (sprich sie werden generell wärmer), sind die Sommer durchwegs „protzig“ unterwegs (bringen also vermehrt heftige Hitzewellen). Der Herbst hingegen weist als einzige Jahreszeit in Österreich keinen eindeutigen Trend auf – in einem Jahr ist er wärmer, im nächsten ein wenig kühler. Vor allem September und Oktober geben sich in Bezug auf Klimawandel erstaunlich unbeeindruckt.

Wien war anders
Übers gesamte Jahr gemittelt kommt so beispielsweise für Wien eine Temperatur von 10,5 Grad (Hohe Warte, Mittel 83-13) raus. Klingt wenig, aber vergesst nicht, da fließen auch die Nächte mit ein! Ende des 19ten Jahrhunderts waren wir noch bei 8,9 Grad – und damit auf einem Niveau vergleichbar mit dem heutigen Dublin, Edinburgh oder Hamburg. Es ist also im letzten Jahrhundert in der Bundeshauptstadt deutlich wärmer geworden – dummerweise ist diese Temperaturerhöhung aber nicht auf das Wiener Stadtgebiet beschränkt, im Gegenteil: es betrifft Flach- und Bergland gleichermaßen. Und zwar erstaunlich einheitlich!

Eiskalte Fakten
Dass das selbstredend weitreichende Auswirkungen haben muss, ist wohl hoffentlich jedem klar. Plakatives, aber wichtiges Beispiel: Schnee! Schon jetzt fällt selbst im Hochgebirge (auf rund 3000 Meter Seehöhe) um 30% mehr Niederschlag in Form von Regen als Schnee¹. Unsere Gletscher sterben mit einer Schnelligkeit, die ihresgleichen sucht: Österreichs größtes zusammenhängendes Gletschergebiet (die Ötztaler Gletscher) hat allein zwischen 1969-2006 ganze 28 km² (oder 15%) der Fläche eingebüßt! Der Sonnblick 24%, die Samnaungruppe gar 57%¹.

Wenn A zum Rest des Alphabets führt …
Gletscher sind somit ein direkter Beweis eines sich ändernden Klimas. Bevor jetzt einige denken „Ja mei, so ein Gletscher ist eh lieb, aber …“ sei gleich eins vorweg genommen: damit beginnen die Probleme erst! Rückzug der Gletscher bedeutet nämlich auch Anstieg der Permafrostgrenze. Damit Erhöhung der Gefahr von Muren, Rutschungen und Steinschlag. Gleichzeitig aber Erhöhung der Baumgrenze. Damit wiederum zwar mehr (potentielle) Waldfläche, gleichzeitig aber auch eine Änderung der CO2-Bilanz, des Strahlungshaushalts, usw..  Ein Teufelskreislauf, oder, wie Wissenschafter sagen: ein (meist positiver) Rückkoppelungsprozess. Und zwar bloß einer von Hunderten.

Wien wird anders
Aber bleiben wir bei der Temperatur. Was würde eine nochmalige Zunahme von 2 Grad bedeuten? Außer dass uns die Gletscher wergschmelzen und es für Schigebiete unter 1000 Meter Game over heißt? Wien hätte dann bereits ein Jahresmittel von Pi mal Daumen 12,5 Grad. Und wäre damit knapp mediterran!

Zahlenspielerei
Gut, für Verhältnisse wie in Barcelona oder Rom würde es noch nicht ganz reichen, aber für solche wie beispielsweise in Bordeaux (heutige Mitteltemperatur 12,4 Grad). Wagt jetzt ja nicht, auch nur daran zu denken, dass so ein kleiner, mediterraner Touch einer Großstadt wie Wien doch ganz gut tun würde! Denn auch hier gilt wieder: diese Erhöhung wird nicht an der Wiener Stadtgrenze enden. Und auch nicht an Österreichs Grenzen. Sondern stellt ein globales Problem dar.

Wenn heiß heißer wird …
Denn dummerweise wird das auch Bordeaux, Barcelona und Rom betreffen. In Regionen, wo es jetzt heiß ist, wird es also noch heißer. In Regionen, in denen es jetzt kalt ist, etwas weniger kalt. Dass heiß böse ist, muss ich hoffentlich nicht explizit erwähnen. Trotzdem ein paar Zahlen: Allein zwischen 2001-2010 hat die hitzebedingte Sterblichkeit global um 2300%² zugenommen (im Vergleich zu 1991-2000) – großen Anteil hatte dabei der Sommer 2003, mit rund 70.000 Hitzetoten³ in Europa, in Österreich waren es rund 300¹. Grob lässt sich sagen: Pro 1 Grad Temperaturanstieg wird die Mortalität (in Österreich) um bis zu 6% zunehmen¹ – die ganzen Folgewirkungen (Dürre, Unwetter, etc.) sind da noch gar nicht berücksichtigt!

Mortalität bedingt durch Extremereignisse

Mortalität auf Grund diverser Wetterextreme im Zeitraum 2001-10 bzw. 1991-00 und deren Zu- bzw. Abnahme. Die hitze-bedingte Sterblichkeit sticht heraus. (Quelle: WMO2)

… und Vorteile flöten gehen
Und auch beim (vermeintlichen) Vorteil, dass aus kalt weniger kalt wird, heißt es 2x hinsehen. Denn obiges Beispiel mit dem Gletschersterben gilt ja selbstredend auch global. Nur dass ein Wegschmelzen der Eisschilde (Arktis, Grönland, Island) dramatischere Folgen hat. Und dass ein Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien beispielsweise zwar (potentielle) Ackerfläche bedeutet, aber auch Freisetzung von zusätzlichem Treibhausgas.

Prost!
Wir sehen also: Egal wie man es auch dreht und wendet, 2 Grad mehr sind kein Kindergeburtstag! Eher eine Vernichtungsfeier, bei dem wissentlich ein Vodka nach dem anderen gekippt wird – mit dem Unterschied, dass dieser Rausch eine Bedrohung für den gesamten Planeten darstellt. Meiner Meinung nach sogar die größte.

PS: Österreich hat übrigens jetzt schon das erreicht, was sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt haben: Den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad zu begrenzen. Nur so nebenbei …


Fußnoten:
¹ Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (AAR14), Austrian Panel on Climate Change, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014

² The Global Climate 2001-2010, WMO-No. 1119, World Meteorological Organization, 2013
³ Report on excess mortality in Europe in Summer 2003; Jean-Marie Robine et al., Institut national de la santé et de la recherche médicale

 

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