Winter 2017/18: Stark im Finale

Kaschierungsversuch
Mit Rekordkälte verabschiedet sich dieser Winter in den Ruhestand und beweist damit eindrucksvoll, dass es in Zeiten des Klimawandels selbstredend auch mal kalt sein darf. Doch wer nun angesichts ein paar kalter Tage glaubt, dass deshalb der gesamte Winter kalt war, der irrt. So eindrucksvoll die letzten Tage punkto Kälte auch waren, am Ende kaschieren sie lediglich das, was wochenlang zuvor falsch gelaufen ist. Der Winter 2017/18 im Rückblick.

Gelungener Auftakt
Alles hätte so gut begonnen: Bereits Ende November gabs in den meisten Landeshautstädten den ersten Schnee, in Wien beispielsweise stolze 5 cm – so viel wie seit 7 Jahren nicht mehr. In Innsbruck war es überhaupt schon Mitte November soweit – gerade die Tiroler Landeshauptstadt aber ist mahnendes Beispiel dafür, wie sehr die kalte Jahreszeit bereits im Wandel ist: Noch in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts konnte man in Innsbruck bereits Anfang November mit Schnee rechnen, jetzt in den 2000ern ist es statistisch gesehen erst Ende November soweit – das Auftreten der ersten Schneedecke hat sich in nur 50 Jahren um gut 3 Wochen nach hinten verschoben. Insofern waren wir da heuer also gut dabei.

Das mittlere Auftreten der ersten Schneedecke in Innsbruck, Datenquelle: Schneehöhen Innsbruck-Uni, verifiziert durch die ZAMG. (Webcam: foto-webcam.eu)

Lange ruhig 
Doch die Ernüchterung folgte just zu Weihnachten. Bis dahin gab sich der Dezember eigentlich noch recht winterlich und, abgesehen von einem ungewöhnlichen Föhnereignis mit extremen Orkanböen im Süden1, auch ruhig. Ja selbst punkto weiße Weihnachten war man heuer so optimistisch wie schon lange nicht mehr – pünktlich zum Fest aber hat dann halt doch wieder das obligatorische Weihnachtstauwetter zugeschlagen.

Gekommen, um zu bleiben
An sich ist Tauwetter um Weihnachten nichts Ungewöhnliches, ist quasi ungeschriebenes Gesetz in der Meteorologie und zählt zu den sogenannten klimatologischen Singularitäten. Kommt gerne zu Weihnachten, hält ein paar Tage, knabbert vor allem in den Niederungen am Schnee, und verschwindet wieder. Nicht heuer: Erst Rekordtemperaturen zu Weihnachten, dann Rekordtemperaturen zum Jahreswechsel und zur Krönung ein brutal warmer Hochwinter – also Weihnachtstauwetter open end.

Die höchsten Temperaturen vom 24.12.2017:

Ort Bundesland, Höhe 24.12.2017
Köflach ST, 463 m 16,5° Steiermark-Rekord
Aspang NÖ, 454 m 16,0° Stationsrekord
Krumbach NÖ, 545 m 15,2°
Pottschach NÖ, 416 m 14,7°
Lassnitzhöhe ST, 530 m 14,4° Stationsrekord
Kleinzicken B, 265 m 14,3° Stationsrekord
Klagenfurt K, 450 m 6,5° Stationsrekord

Der Hochwinter 2018 zählt zu den wärmsten der österreichischen Messgeschichte!

Ein Jänner ohne Kälte
Genau genommen zählt die Phase des heurigen Hochwinters (Anfang Jänner bis Mitte Feber) sogar zu den wärmsten der österreichischen Messgeschichte – an 6 Tagen wurde gar die 15-Grad-Marke überschritten, gemeinhin die Schwelle für einen Frühlingstag. Nie zuvor brachte dabei ein Jänner so wenig Frost wie der heurige, wie etwa in Wien oder auch Linz, wo die Temperatur nur in 4 Nächten unter Null gesunken ist! Und dass es ganztags frostig bleibt, ist in 6 von 9 Landeshauptstädten überhaupt nicht vorgekommen – vor allem in Klagenfurt, das im Jänner normal mit 14 dieser sogenannten Eistage aufwarten kann, ein Negativrekord der Sonderklasse.

Ort 2018 Mittel Abweichung
Eisenstadt 1 9 -89 %
Graz Universität 1 9 -89 %
Wien Hohe Warte 0 9 -100 %
St. Pölten 0 11 -100 %
Linz 0 9 -100 %
Salzburg Freisaal 0 8 -100 %
Innsbruck Flughafen 0 6 -100 %
Bregenz 0 7 -100 %
Klagenfurt 0 14 -100 %

Bergbeispiele
Auf den Bergen übrigens ganz ähnlich, wie – um nur ein Beispiel zu nennen – in Langen am Arlberg (V) auf 1200 Meter: Die tiefste Jännertemperatur lag bei bloß -5,7 Grad! Ein derart hohes Jännerminimum hat man hier noch nicht registriert, den bisherigen Rekord hielt 1975 mit -7,0 Grad. Weiter oben, an Österreichs höchster Wetterstation, dem Brunnenkogel in den Ötztaler Alpen (T) auf 3400 Metern, wurden zur Monatsmitte mit 0,4 Grad gar Plusgrade gemessen! Das gab es hier oben zuvor erst einmal, nämlich 2011.

Subjektives Empfinden 
Da verwundert es wenig, dass sich der Jänner 2018 aufs Stockerl der wärmsten stellt: Platz 3, nur geschlagen von 2007 und 1796. Und dennoch werden sich die meisten jetzt vermutlich denken, wovon redet der Typ eigentlich? Wir hatten perfekte Schibedingungen in den Semsterferien!? Stimmt! Die Schneelage auf den Bergen war heuer so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Das ist auch die große Diskrepanz beim heurigen Jänner: Warm und trotzdem schneereich. Ein Widerspruch?

Winderidylle wie aus dem Bilderbuch: Rund um den Arlberg (im Bild Oberlech) gab es fast doppelt soviel Neuschnee als im klimatologischen Mittel! (Webcam: goldenerberg.panomax.com)

Oben hui …
Ganz und gar nicht! Denn ob es am Berg minus 5 oder 0 Grad hat, ist unterm Strich wurscht – gibts Niederschlag, fällt dieser als Schnee. Und der heurige Jänner war halt einfach niederschlagsreich, im Bergland konnte sich somit viel Neuschnee summieren. Regional gab sogar Rekordmengen, wie in den Ötztaler Alpen – gefundenes Fressen für ÖSV-Präsidenten, Schiliftbetreiber und all jene, die den Klimawandel in Frage stellen, wird doch dieser Umstand schon bald als Argument gegen die globale Erwärmung herhalten müssen.

… unten pfui
Dabei sollte man immer alles im Kontext sehen. Waren die Berge heuer gut bestückt? Wird wohl niemand in Abrede stellen. Doch im Flachland zeigt sich ein ganz anderes Bild, hier machen ein paar Grad mehr oder weniger halt den Unterschied: Gerade mal 1 mickriger Zentimeter Jänner-Schnee in Wien, 2 in Klagenfurt, überhaupt 0 in Bregenz. Und das, nach einer schon mageren Dezember-Ausbeute.

Ort 2018 Mittel Abweichung
Wien Hohe Warte 1 cm 18 cm -94 %
Eisenstadt 7 cm 13 cm -48 %
St. Pölten 4 cm 16 cm -75 %
Linz 10 cm 18 cm -45 %
Salzburg Freisaal 10 cm 27 cm -63 %
Innsbruck Universität 32 cm 25 cm +28 %
Bregenz 0 cm 22 cm -100 %
Graz Universität 10 cm 12 cm -17 %
Klagenfurt 2 cm 17 cm -89 %

Völlig zu Recht!
Der Februar gab sich dann in Sachen Schnee etwas großzügiger, und brachte vor allem dem Süden und Südosten gleich mal die 3-fache Menge des weißen Goldes, sonst waren wir zumindest an den Mittelwerten dran. In Erinnerung aber wird der Februar den meisten aus einem anderen Grund bleiben: Einer g’waschenen Kältewelle wegen. Und das zu Recht!

Klagenfurt kam im Feburar auf die 3-fache Neuschneemenge. Allein am 12. des Monats sind innerhalb von nur 10 Stunden 20 cm Schnee gefallen! (Webcam: klagenfurt.at)

Eisiges Finale
Die letzte Februarwoche brachte Kälte, wie sie viele von uns eigentlich noch nie erlebt haben: Viele Bergstationen waren so tief im Minus, wie schon seit rund 30 Jahren nicht mehr, die jüngeren Stationen lieferten überhaupt Kälterekorde. Im inneralpinen Bereich gabs häufig die tiefsten Februartemperaturen in diesem Jahrhundert, an einzelne Stationen auch seit Messbeginn. Und in den Landeshauptstädten muss man bis in die 80er Jahre zurückblicken, um ähnlich tiefe Temperaturen zu finden – also egal, wie man es dreht und wendet: Eine Kältewelle, die selbst im Hochwinter außergewöhnlich wäre!

Ort 2018 bisher
Brunnenkogel T, 3437 m -32,4° Stationsrekord
Sonnblick S, 3109 m -31,9° tiefer 01/1987
Valluga V, 2805 m -29,3° Stationsrekord
Pitztaler Gletscher T, 2864 m -29,0° Rekord eingestellt
Dachstein ST, 2520 m -27,4° neue Station
Dobratsch K, 2117 m -24,2° tiefer 12/1996
Patscherkofel T, 2251 m -25,5° tiefer 01/1987
Rax NÖ, 1547 m -21,8° Stationsrekord

Die letzte Februarwoche brachte extreme Kälte. Hier die Analyse von 22.-28. Februar 2018.

Kalt wie nie
Auf einen Umstand möchte ich diesbezüglich noch genauer eingehen, weil er so herausragend ist und dieser Kältewelle noch das gewisse Obershäubchen verleiht: Die Anzahl der Eistage, also jener Tage, an denen das Temperaturmaximum negativ bleibt, ist ein Maß für die Härte eines Winters – ist deren Zahl hoch, wird der Winter gemeinhin als streng empfunden. Bis Ende Februar war der Winter in den meisten Landeshauptstädten damit auf Lulu unterwegs, weil ohne Eistage. Und just zum Ende des Winters, wenn statistisch gesehen Eistage schon sehr unwahrscheinlich sind, gab es nicht nur die ersten, nein, der Winter ging auch noch nie strenger zu Ende: Mit Ausnahme von Bregenz hatten alle Landeshauptstädte die tiefsten Höchstwerte ihrer Messgeschichte. Prost!

Die kältesten Eistage im letzten Februar-Drittel (18. – 28. Feburar) der jeweiligen Messgeschichte, in Klammer das Jahr des Auftretens des bisherigen Rekords.

Ort 2018 bisher
Wien Hohe Warte -8,0° -7,8° (1929)
Eisenstadt -7,7° -5,5° (1948)
St. Pölten -8,3° -5,3° (1948)
Linz -7,6° -6,6° (1956)
Salzburg Freisaal -7,8° -4,8° (2005)
Innsbruck Flughafen -6,7° -5,0° (1956)
Bregenz -6,2° -7,0° (1956)
Graz Flughafen -6,9° -6,1° (19869)
Klagenfurt -8,4° -4,6° (1986)

Futter für die Klimalobby
Sowas muss natürlich Auswirkungen auf die Monatsbilanz haben: In den hochalpinen Regionen war der Februar 2018 einer der 20 kältesten seit Beginn der Messungen 1851 – Respekt! Über kurz oder lang aber wird auch das wohl als Argument herhalten müssen, das Klimaleugner aus der Tasche zaubern. Klimawandel bedeutet jedoch nicht, dass es nie wieder kalt sein darf; Ausreißer nach unten wird es immer geben, selbst in einer wärmeren Welt. Das beraffen übrigens auch US-Präsidenten nicht.

Schlussrechnung
In den Niederungen schließt der Februar zwar kalt ab, in der jüngeren Vergangenheit gab es aber mit 2012 einen weit kälteren. Und damit bilanziert der Winter 2017/18 wie folgt: Auf der einen Seite ein Dezember, der zum Ende hin Rekordtemperaturen brachte, sowie einer der wärmsten Jänner der österreichischen Messgeschichte; auf der anderen genau eine extrem kalte Februarwoche. Das Ungleichgewicht ist also offensichtlich, unter’m Strich kann nur ein Plus bleiben: Der Winter schließt mit einer Abweichung von +0,5 Grad. Klingt wenig? Nun, damit landet der Winter noch immer in den Top 40 der wärmsten in der 271-jährigen Messgeschichte Österreichs!

2017/18 2006/07 2015/16 2013/14
wärmster Winter 2-wärmster Winter 3-wärmster Winter
Dezember +0,5° +2,4° +4,5° +2,2°
Jänner +3,5° +4,3° +1,3° +2,9°
Feber -2,7° +3,7° +3,6° +2,9°
Winter +0,5° +3,5° +3,1° +2,7°

Alle Abweichungen in Grad Celsius nach SPARTACUS (ZAMG) zum Klimamittel 1981-2010. 

Temperaturanalyse des Winters 2017/18, im österreichweiten Mittel bleibt ein Plus. (Bild: ZAMG/INCA)

Conclusio
Wenn ein Winter trotz der heftigsten Kältewelle seit Jahrzehnten unter den wärmsten landet, muss das einem zu denken geben. Und allen Klimaskeptikern sei gesagt: Er mag Rekordkälte gebracht haben, aber gleichzeitig noch nie so wenig Frost. Dem eisigen Winterende steht ein frühlingshafter Hochwinter gegenüber. Und die Schneemengen auf den Bergen sind erfreulich, in den Niederungen aber war das heuer – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – weniger der Renner. Am Ende ist es einer einzigen Kältewelle zu verdanken, dass nicht wieder ein Winter am Stockerl landet. Dem ist Respekt zu zollen. Doch schlussendlich bleibt: Ein paar kalte Tage machen noch lange keinen Winter.

Dank wie immer an Alexander Orlik (ZAMG).

Fußnoten:
1 Deutschlandsberg (ST) 125 km/h (Stationsrekord), Ferlach (K) 122 km/h (Bundeslandrekord), Bad Gastein (S) 119 km/h (Stationsrekord)

6 Kommentare
  1. Andreas KOPF
    Andreas KOPF sagte:

    Super interessante Zusammenfassung des heurigen Winters! Kompetent und informativ verfasst! Freue mich schon auf den nächsten Beitrag !

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