Überraschende Wende
Kaum zu glauben: Das mit dem Winter 2015/16 kann noch was werden! Nach einem Rekord-Dezember in Sachen Temperatur, Sonnenschein und Schnee, war auch die erste Jänner-Hälfte jetzt nicht so der Renner. Umso überraschender, dass wir nun vor einer der kräftigsten Kältewellen seit Jahren stehen. Eine Bilanz zur Winterhalbzeit.

Traunsee 24.12.2015

Sonnig, warm und schneearm. Der Dezember 2015 wollte nie Winter sein; Blick vom Traunstein auf den Traunsee (OÖ) am 24. Dezember 2015 (Quelle: foto-webcam.eu)

Beispielloser Dezember
Der Dezember 2015 war in vielerlei Hinsicht beispiellos. Als hätte das vergangene Jahr nicht schon genug Rekorde aufgestellt, hat just der letzte Monat noch eins drauf gelegt: Warum sich mit einem einzelnen Rekord begnügen, wenn man gleich mehrere aufstellen kann? In allen relevanten klimatologischen Parametern schrieb dieser Dezember Geschichte: Er war nicht nur der sonnigste und schneeärmste Dezember aller Zeiten1, nein, er war auch der trockenste seit 1865 sowie der viertwärmste seit Aufzeichnungsbeginn 1767. Aber wirklich sprachlos macht, was dieser Dezember auf Österreichs Bergen aufgeführt hat: Mit einer Abweichung von unglaublichen +6,6°, war dieser Monat im Gebirge nicht nur rekordwarm, in keinem anderen Monat wurde jemals eine derart hohe Abweichung registriert!

Dezember 2015 Temperaturabweichung

Temperaturabweichungen Dezember 2015 bezogen auf die Niederungen. Im Bild nicht ersichtlich die horrende Abweichung auf Österreichs Bergen! (Quelle: ZAMG)

7 Grad im Vergleich
Verinnerlichen wir uns diese Zahl. Beim Weltklimagipfel in Paris wurde hart verhandelt, um das sogenannte 2°-Ziel völkerrechtlich verbindlich festzunageln. Während der letzten Eiszeit lag die globale Mitteltemperatur etwa 5° unter dem jetzigen Niveau. Der nicht enden wollende Hitzesommer 2015 – eine der schwersten Naturkatastrophen Europas in den letzten Jahren – brachte eine österreichweite Abweichung von +2,8°. Und nun lassen wir die Dezember-Abweichung auf Österreichs Bergen von knapp +7° noch einmal auf uns wirken. Brutal!

Mehr Sommer denn Winter
Wer in diesem Dezember auf den Bergen unterwegs war, konnte dies an so manchem Nachmittag durchaus im Leiberl bewältigen. Winterjacke, Haube & Co waren definitiv fehl am Platz: Nachmittagstemperaturen wie Ende Mai/Anfang Juni waren keine Seltenheit! Dazu blühende Wiesen, kaum wo Schnee. Nur kahle Bäume waren da wohl das einzige Zeichen für den Winter – und vielleicht auch noch der frühe Sonnenuntergang. Aber sehen wir uns die Temperaturen anhand zweier Beispiele genauer an …

Beispiel 1: Oberösterreich
Am 1618 Meter hohen Feuerkogel nahe des Traunsees in Oberösterreich, kämen wir in einem normalen Dezember auf rund 13 Eistage (zur Erinnerung: Eistage sind Tage, an denen der Höchstwert unter Null Grad liegt). Heuer hingegen wurde kein einziger registriert. 0 Eistage im Dezember? Auf dieser Höhe freilich ebenso ein Rekord – neben der österreichweit höchsten Abweichung  von +7,2° (Messbeginn 1930). Der Spitzenwert lag übrigens bei plus 12,3 Grad – das entspricht dem durchschnittlichen Juni-Höchstwert:

Feuerkogel Dezember 2015

Tageshöchstwerte Dezember 2015 vom Feuerkogel (OÖ, 1618m). In rot das mittlere Juni-Maximum, in blau das mittlere Dezember-Maximum. (Graphik: wetterblog.at)

Beispiel 2: Kärnten
Als zweites Beispiel blicken wir in den Süden, auf den Dobratsch nahe Villach (daher auch unter Villacher Alpe bekannt) in Kärnten. Die Messstation liegt nicht nur höher, sie bietet auch die längste Messreihe aller Bergstationen (Messbeginn 1851). Der Temperaturverlauf macht auch hier sprachlos – man bedenke, wir befinden uns hier auf 2117 Meter Seehöhe im Winter! Mit bloß 2 Eistagen (Rekord) sowie einer Abweichung von +6,9° (Rekord) sieht der Temperaturverlauf wie folgt aus:

Villacher Alpe Dezember 2015

Tageshöchstwerte Dezember 2015 vom Dobratsch (Villacher Alpe, K, 2117m). In rot das mittlere Juni-Maximum, in blau das mittlere Dezember-Maximum. (Graphik: wetterblog.at)

Modefarbe grün
Angesichts dieser Temperaturbilanz versteht sich auch der Negativrekord punkto Schnee fast von selbst. Wobei die hohen Temperaturen alleine gar nicht das Problem waren, sondern auch die generelle Trockenheit – also quasi 2x die Arschkarte gezogen. Denn der bissl Niederschlag, der gefallen ist, war halt bis in große Höhen häufig Regen. Selbst bekannte Wintersportorte wie Seefeld, immerhin 3x Austragungsort olympischer Winterspiele und normal Garant für Dezemberschnee, blieben zum ersten Mal seit Aufzeichnungsbeginn (in Seefeld 1948) den ganzen Monat hindurch grün. So wie übrigens auch alle Landeshauptstädte – der Klimawandel lässt grüßen!

Seefeld am 26.12.2015

Der Wintersportort Seefeld in Tirol war zum ersten Mal der Messgeschichte den gesamten Dezember hindurch schneefrei! Bild vom 26.12.2015 (Quelle: Webcam Seefeld)

Her mit dem Schnee!
Zum Jahreswechsel hin, hat sich die Großwetterlage dann langsam geändert. Anfang Jänner war russische Kaltluft dominierend, wobei sich diese nicht im ganzen Land durchsetzen konnte; viel weiter als zur Linie St.Pölten/Graz ist sie nicht gekommen. Immerhin brachte sie vielerorts den ersten Schnee – mit Ausnahme von Bregenz waren auch alle Landeshauptstädte zumindest kurz mal weiß. Summa summarum aber machen ein paar Tage mit Schneedecke noch keinen Winter; 2 Schneetage in Innsbruck und 5 in Wien sind noch deutlich ausbaufähig (zum Vergleich: ein Durchschnitts-Winter bringt in Innsbruck 50, in Wien 32 Tage).

Parallelen
Nach dem kurzen Winterintermezzo Anfang Jänner, sind wir rasch wieder ins alte Muster zurückgefallen; auch im (für einige Tage eisigen) Osten wurde es wieder milder, stellenweise auch warm: Höhepunkt am 11. des Monats mit knapp 16 Grad in Bad Radkersburg (ST). Übrigens: Ähnlich der Werdegang des letzten Winters; Dezember 2014 warm, Jahreswechsel 2014/15 kalt, im zweiten Jännerdrittel extrem warm, mit 22 Grad sogar neue Jänner-Temperaturrekorde (in der Steiermark und Kärnten).

Wann wird’s mal wieder richtig Winter …
Für alle Winterliebhaber (und solche die es werden wollen) besteht nun aber Hoffnung: Neuerlich macht sich Kaltluft polaren Ursprungs auf den Weg zu uns – diesmal wird sie ganz Österreich fluten und vielerorts die tiefsten Temperaturen seit zumindest 4 Jahren bringen! In den mittlerweile schneebedeckten Alpentälern sind Temperaturen weit unter minus 20 Grad denkbar, auf 3000 Meter geht’s gar Richtung minus 30 Grad! Damit hat diese Kältewelle Potential, die Jännerbilanz zum ersten Mal seit 5 Jahren wieder leicht ins Minus zu drücken, und so einen neuerlichen Totalreinfall des Winters zu verhindern; aktuell läge der heurige mit einer Abweichung von Pi mal Daumen +2,5° (Stand: 15. Jänner 2016) nämlich unter den Top 3 der wärmsten ever!

Kalt!

Bitterkalte Nächte stehen bevor! Wie lange die Kältewelle andauern wird, ist unklar. GFS Modell-Output vom 15.01.2016 für die Tiefstwerte am 19.01.2016 (Quelle: wetterzentrale.de)

Open End
Das Problem ist nur: Wir Meteorologen können noch nicht sagen, wie lange diese Kältewelle andauern wird – kann bereits nach einigen wenigen Tagen wieder vorbei sein oder aber weit über eine Woche dauern! Wir dürfen gespannt sein, eine nachhaltige Umstellung wäre aber auf alle Fälle mal angebracht. Extrem warme Winter hatten wir in den letzten Jahren genug.

PS: Mit dieser Kältewelle sind schön die Grenzen der Vorhersagbarkeit ganzer Jahreszeiten aufgezeigt; sämtliche Saisonprognosen sahen ja den Jänner als extrem warmen Monat und nun besteht Hoffnung, dass dieser wenigstens “normal” abschließt. Eine längere Kälteperiode würde zudem auch wieder einen möglichen Zusammenhang zwischen El Nino & Europa in Frage stellen; hier gab es ja in den letzten Wochen immer wieder Diskussionen. Alles in allem spannende Sache! :)

Dank an Haus- und Hofklimatologen der ZAMG Alexander Orlik!


Fußnote:
1 Aufzeichnungsbeginn Sonnenscheindauer: 1925; Aufzeichnungsbeginn der Schneehöhen: abhängig vom Ort.

2 Kommentare
  1. Johann Wundersamer
    Johann Wundersamer sagte:


    Das Problem ist nur: Wir Meteorologen können noch nicht sagen, wie lange diese Kältewelle andauern wird – kann bereits nach einigen wenigen Tagen wieder vorbei sein oder aber weit über eine Woche dauern! Wir dürfen gespannt sein, eine nachhaltige Umstellung wäre aber auf alle Fälle mal angebracht. Extrem warme Winter hatten wir in den letzten Jahren genug.

    PS: Mit dieser Kältewelle sind schön die Grenzen der Vorhersagbarkeit ganzer Jahreszeiten aufgezeigt;”
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    Ihr habt’s ja nicht wissen können dass 2016 ein La Niña Jahr wird. Und dass die 5 Jahre davor El Niño Jahre waren.

    Es sollte gscheite Meteorologen ge’m die wo euch biraten kenna.
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    Aber der war guat, der Beitrag. Vielleicht schaut man besser nicht was ihr sonst so beitragts.

    Antworten
    • Manuel Kelemen
      Manuel Kelemen sagte:

      Lieber Johann,
      leider werde ich aus deinem Kommentar nicht ganz schlau. Was möchtest Du mir damit sagen? Gleich eines vorweg: Klimaphänomene wie El Nino (bzw. dessen Pendant La Nina) haben mit der Kältewelle vom letzten Winter nichts zu tun.

      SG
      Manuel

      Antworten

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