Erfreuliche Überraschung

Sensationsmeldung
Folgende Nachricht hat kürzlich in die Wissenschaftswelt eingeschlagen, wie eine Bombe: Der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß stagniert! Eine Nachricht, wie sie erfreulicher nicht sein kann, gilt doch CO2 als das Treibhausgas Nummer 1. Doch uns deshalb auf die faule Haut zu legen, wäre falsch. Denn dadurch ist noch nichts gewonnen.

Aufregende Widersprüche
Die Nachricht kommt von der Internationalen Energieagentur (IEA), deren jährlich erscheinender Energie-Bericht ursprünglich erst Mitte Juni 2015 erscheinen hätte sollen. Doch diesmal waren die Ergebnisse so überraschend, dass die Experten mit der Veröffentlichung1 nicht länger warten wollten und diese bereits am 13. März bekannt gaben: Die weltweiten, energiebedingten CO2-Emissionen2 sind 2014 (im Vergleich zu 2013) nicht mehr angestiegen! Eine sensationelle Überraschung – aus 2 Gründen: 1. widersprechen die Ergbnisse damit allen Vorhersagen und 2. ist die Weltwirtschaft gleichzeitig gewachsen.

Treibhausgase

Energiebedingte CO2-Emissionen sind im Jahr 2014 nicht mehr angestiegen! (Foto: APA)

Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut
Hier haben wir einen kleinen Widerspruch: Der globale CO2-Ausstoß hängt nämlich gewöhnlich eng mit der Weltwirtschaft zusammen – geht’s der gut, blasen wir auch mehr von dem Zeug raus: Wir fahren coolere Autos, brauchen mehr Energie – nix also mit Sparen. Woher aber nehmen, wenn nicht haben? Richtig, wir brauchen mehr Kohle, Erdöl, Erdgas und damit neue Erschließungsquellen bzw. neue Kraftwerke – in der Vergangenheit zum überwiegenden Teil kalorische. So ist es kein Wunder, dass in den vergangenen 40 Jahren die Emissionen Jahr für Jahr angestiegen sind, mit 3 Ausnahmen: zu Beginn der 80er, 1992 und 2009.

Krisen als Umweltschützer
Diese Ausreißer kann man leicht erklären: Zu Beginn der 80er kam die US-Wirtschaft ins Trudeln, 1991 ist mit der Sowjetunion ein Riesenreich in die Brüche gegangen und die globale Finanzkrise 2008 haben wir wohl alle noch im Kopf. Kurzum: CO2-Emissionen sind dann gesunken, wenn die globale Wirtschaft eingebrochen ist.

CO2 Emissionen global in Mrd Tonnen

Globale, energiebedingte CO2-Emissionen in Mrd Tonnen. 2014 sind die Emissionen im Vergleich zu 2013 nicht angestiegen – eine Überraschung! In rot die Jahre mit Rückgang (Daten: IEA, Graphik: wetterblog.at)

Mit Hoffnung nach Paris
2014 gab’s zwar auch genug Krisen, aber allesamt bedeutungslos für die Weltwirtschaft: in Summe 3% Wachstum1! Wie aber kann die Wirtschaft wachsen, ohne dass die Treibhausgase ansteigen? Das bleibt (vorerst noch) ein Rätsel; eine Vermutung ist, dass das Bemühen um erneuerbare Energieformen endlich zu fruchten beginnt. Ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft und ein wichtiges Signal für die Verhandlungen zum neuen Klimavertrag im Dezember 2015 in Paris, denn erstmals könnte es gelungen sein, globale Emissionen zu reduzieren OHNE der Weltwirtschaft zu schaden!

Fehlende Kontinuität

Allerdings ist einmal bekanntlich keinmal, die Sache kann im kommenden Jahr (wenn die Zahlen für 2015 vorgestellt werden) schon wieder anders aussehen. Beispielsweise hat Australien – einer der größten Umweltsünder der Welt und der größte Kohleexporteur schlechthin – im Jahre 2012 endlich mal ein Zeichen gesetzt und eine sogenannte CO2-Steuer eingeführt. Blöd, dass diese nicht einmal 2 Jahre gehalten hat: 2014 wurde sie wieder zu Grabe getragen – mit der egoistischsten Begründung überhaupt: „Sie schade der australischen Wirtschaft“. Faktum ist: diese Steuer hat den CO2-Ausstoß merklich reduziert – um knapp 5%3! Man darf sicher sein, dass diese Bilanz rasch wieder positiv wird.

Zum Teufel!
Selbst wenn wir es schaffen, die Emissionen über Jahre hinweg konstant zu halten, sie kommen auf hohem Niveau zu liegen. 2014 waren es unvorstellbare 32,3 Milliarden Tonnen an CO2, die wir weltweit durch das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Gas in die Atmosphäre geblasen haben! Um diese Zahl ein wenig anschaulicher zu machen: Ein herkömmlicher Baum benötigt rund 80 Jahre um 1 Tonne CO2 aus der Luft zu holen4. Auf das Jahr 2014 umgelegt hieße das, wir müssten 2,5 Billionen (eine Zahl mit 12 Nullern!) Bäume zusätzlich pflanzen, um unsere 32 Milliarden Tonnen CO2 wieder aus der Luft zu bekommen! Wir sehen: Wir verheizen Kohle & Co als gebe es kein Morgen; dass uns das in Teufels Küche bringt, scheinen viele noch nicht gecheckt zu haben.

Buche

Bäume sind – no na – gute CO2-Speicher! Im Bild eine Buche (Bild: nagabi.de)

CO2 überlebt uns alle
Denn CO2 hat dummerweise eine ganz blöde Eigenschaft: das Gas hat eine relativ hohe mittlere Verweilzeit in der Atmosphäre – in etwa 120 Jahre (wir pflanzen ja nicht jedes Jahr Billionen Bäume5). Soll heißen: Alles, was wir zusätzlich – also abgesehen vom natürlichen Kreislauf (beispielsweise Atmen) – an CO2 in die Luft blasen, geht so schnell nicht mehr raus. Man kann sich das wie eine Badewanne vorstellen: Oben kann zwar viel rein, der Abfluss hingegen ist sehr klein (und kann verstopfen). Das CO2, das wir heute in die Luft blasen, wird noch im Jahre 3000 (!) zu gut 40% in der der Atmosphäre sein6!

So viel wie nie
Es darf somit nicht verwundern, dass die CO2-Konzentration der Atmosphäre heute auf dem höchsten Stand seit mindestens 800 000 Jahren ist7: Als ich auf der Uni war, waren es noch rund 380 ppm8 – das ist etwa 10 Jahre her. Aktuell liegt diese bei knapp über 400 ppm, Tendenz steigend. Lasst Euch das auf der Zunge zergehen: Noch nie in der Geschichte des modernen Menschen, lag die Konzentration höher! Daraus kann man also ableiten: Stagnierende Emissionen sind zwar erfreulich, bloß reicht das schon lange nicht mehr. Sie müssen fallen. Und zwar massiv!

Keeling Kurve

CO2-Konzentration in der Atmopsphäre der letzten 800.000 Jahre. In grüner Schrift die Tageskonzentration vom 23. März 2015 von über 400 ppm (Quelle: Keeling Kurve)

PS: Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass der daraus resultierende Klimawandel eine Gefahr für uns alle darstellt – meiner Meinung nach sogar die größte der Menschheit! CO2 und Treibhauseffekt hängen unweigerlich zusammen – glaubt niemandem, der dieses Faktum in Frage stellt.


Fußnoten:
1
Global energy-related emissions of carbon dioxide stalled in 2014, IEA; 13.03.2015
2 Darunter versteht man alle Emissionen, die bei der Strom- und Wärmeproduktion, im Industriebereich, im Verkehr sowie im privaten Haushalt (Heizen) anfallen. Landwirtschaft und Viehhaltung, Müllverbrennung bzw. Ausgasung von stllgelegten Deponien sind dabei nicht berücksichtigt. Folgend wird im Text nur noch von Emissionen gesprochen, gemeint sind immer die energiebezogenen.
3 Two degrees of separation: ambition and reality, Low Carbon Economy Index 2014, PriceWaterhouseCoopers
4 Wieviel CO2 ein Baum tatsächlich bindet, ist abhängig von vielen Faktoren (Baumart, Alter, Klima, Bodenbeschaffenheit, etc.). Dieses Beispiel bezieht sich auf eine Buche und ist vom Deutschen Bundesministerium für Umwelt.
5 Freilich gibt es noch andere natürliche Speicher (natürliche Senken sind zum Beispiel die Ozeane), auf die ich in diesem Artikel allerdings nicht eingehen möchte.
6 Irreversible climate change due to carbon dioxide emissions, S. Salomon et al.; 2008
7 Climate Change, The Physical Science Basis, IPCC WG1; 2013
8 parts per million (Teile pro Million), 1 ppm = 0,000001%

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